Roxelane
Trommeln und Trompetenfanfaren marschierte sie in ihre Kaserne zu Laleli Dschamissi.
Und dazwischen schritten mit gleichgültigen und unergründlichen Augen wiegenden Ganges die Kamele und taten vornehm und verächtlich, wenn sie der Ruf ihrer Treiber: „Yallah! Yallah!“ erreichte.
Das Volk der Fußgänger aber war die Flut, auf der die Fahrenden und Berittenen schwammen.
Wasserverkäufer und Lastträger, Levantiner vom Hafen und Schiffssoldaten im kurzen roten Überwurf, Griechen, Juden, Armenier, junge Abendländer in ihren unanständig eng anliegenden Trachten, ältere in etwas schicklicheren Schauben, griechische Geistliche, aber auch Priester und Mönche der römischen Kirche, Inder, Ägypter, Tataren, Bettler und Wohlgenährte, Freie und Sklaven und Frauen, immer wieder Frauen füllten die Mühlengasse und den Basar.
Eine trippelnde Karawane von Frauen zog dahin.
Denn die meisten von ihnen klapperten zum Schutz gegen den Straßenschmutz auf Stöckelschuhen einher. Freilich nicht alle. Man konnte Frauen sehen, die ungeachtet des Schmutzes ihre Last barfuß und in königlicher Haltung auf dem Kopf trugen, ihr Jüngstes dazu auf dem Rücken, und die trotzdem noch eine Möglichkeit fanden, an Händen und Kleid zwei oder drei vom jüngeren Nachwuchs mit sich zu schleppen. Viele Frauen waren es allerdings nicht, die so gingen. Im allgemeinen überließen sie das Arbeiten den Männern.
Und alle waren auch keineswegs bis zur Unkenntlichkeit verschleiert. Es gab Leichtverschleierte und Unverschleierte - Frauen, die gesehen werden wollten, und Frauen, die jeder Mann ansehen durfte. Die Unverschleierten waren gefällige Frauen, die ihren Prunk durchaus nicht verbargen und mit geschlitzten Mänteln und gestickten Mützen wie jene Dame glänzten, die gerade mit dem Derwisch sprach. Ihm waren Haar und Bart glattgeschoren worden. Er gehörte also zu einer strengen Sekte, und so lief er denn auch, sehr im Gegensatz zu den Brokatbeinkleidern seiner Gönnerin, ohne Hosen und mit nackten Beinen herum.
Natürlich war an jungen Männern aller Stände auch kein Mangel. Von zweien zum Beispiel, die sich gerade eben erst trafen und begrüßten. mußte der eine dem Alter und der Tracht nach ein Danischmende, ein Bakkalaureus, der andere ein noch junger, etwa achtzehnjähriger Student, ein Thalib, sein.
„Halten Euer Hochwohlgeboren diese Verkleidung für nötig?“
Der hübsche und liebenswürdige Junge stellte diese Frage mit aller Bescheidenheit. Denn sein Begleiter war Seheb Imrachorsade, der Stallmeistersohn und dazu noch der Sohn der Obersthofmeisterin des kaiserlichen Harems.
Außerdem war Seheb zehn Jahre älter.
„Oder bedeuten die Gewänder nur eine Laune von Ihnen?“ fügte der andere noch hinzu. „Denn um mich zu Ihren Freunden zu führen . . .“
„Es sind nicht weniger deine als meine Freunde“, sagte Dede Semids Ältester. „Aber es sind Personen, die Rücksicht nehmen müssen.“ Der Jüngere wurde rot.
„Ich verstehe“, erklärte er mit höflicher Verneigung, „es sind frei-und hochgeborene Herrschaften wie Sie, Seheb Imrachorsade, und ich bin ein Sklave.“
„Du bist doch geschult, mein Mohammed - warum redest du Unsinn?“ fragte Seheb und belehrte ihn dann mit einer kleinen Lust am Dozieren. „Wir sind alle Sklaven des Padischahs. Und wenn du trotzdem auf deiner Behauptung bestehst, so vergiß unsern Staatsgrundsatz nicht: die Besten der Knabenbeute zu den Pagen - die Besten der erbeuteten Mädchen in die Harems. Beide - Knaben und Mädchen - dienen so der Vermehrung und Hebung des Volks. Mein Vater war auch einmal Sklave wie du, seine Eltern waren irgendwo Christen im Banat. Vielleicht leben sie noch. Und wenn ich Sekretär im Bittschriftenamt bin, so bist du das, was ich war, ein Peik und sogar Leibpage des Großwesirs, der wieder ein Sklave war wie du selbst. Ich sehe keinen Unterschied zwischen uns, Mohammed Sokolli.“
Ein leichter Schatten legte sich über Mohammeds Stirn.
„Ich doch“, meinte er. „Euer Hochwohlgeboren verkauft man nicht und . .. verschenkt man nicht.“
„Wir sprachen schon darüber“, nickte Seheb. „Aber ich wußte nicht, daß es dir so nahe gegangen sei. Du hast doch jetzt eine große Laufbahn vor dir, Ibrahim Pascha wird dich schon befördern.“
„Iskender Tschelebi war mir mehr“, sagte Sokolli. „Er war mein Herr, mein Vorbild, mein Vater . . .“
Der Satz wurde nicht zu Ende gesprochen, und beide gingen stumm nebeneinander her.
„Um so
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