Roxelane
dabei für die Gecken herausspringen, sonst sei ihr Letztes immer ein Versagen. So wie jetzt Felipe versage.
Gerade weil ihr an ihm so wenig gelegen schien, fühlte Giulia ihre Schmach so tief. Selbst der alte, hinkende Vespasio war noch ein Condottiere gewesen, dessen Ruhm ganz Italien erfüllt hatte, ein Mann aus einem der vornehmsten Geschlechter der Welt. Andere Männer von gleichem oder höherem Verdienst hatten ihr geschmeichelt. Keiner hatte sie besessen.
Kein Verdienst und keine Vornehmheit habe sie erobern können, lehnte sich Giulia gegen ihr Schicksal auf; aber ein läppischer Zufall, die Erbärmlichkeit einer günstigen Gelegenheit habe sie diesem dummen Jungen zugeworfen.
Ein unberühmter junger Mann sei Don Felipe, empörte sie sich, und von einem Adel, der genauso unbedeutend sei wie sein Geist. Was sei an ihm gelegen?!
Nichts!!
Nichts - gab sie sich zur Antwort, und damit begann sie allmählich zu einem Entschluß zu kommen.
Wenn dieses Nichts von einem Menschen nun wirklich verschwände? grübelte sie. Wer würde nach ihm fragen? - Irgendwo in Spanien ein paar Leute ohne Einfluß.
Sie aber befinde sich auf ihrem eigenen Gebiet und habe in Fondi den Blutbann.
Immer schneller jagten ihre Gedanken dahin.
Und wie würde man von ihr sprechen? Was würden die Dichter besingen?
Ein Heldenlied würde man von ihr singen! stellte sie sich vor. Wie der alte Meerwolf unter Gefahr seines Lebens versucht habe, sie für seines Kaisers Harem zu rauben, würde man zu lesen bekommen, und wie sie mit dem schnellen Entschluß eines nicht zu erschütternden Gemüts sich im Hemd aufs Pferd geschwungen und in Begleitung eines einzigen Ritters entkommen sei.
Der Abgesang aber würde von einer ebenso schönen wie keuschen Frau berichten, die in gleicher Nacht noch den Ritter, nur weil er zu viel gesehen habe und zu kühn entbrannt sei, mit eigener Hand.. . Sie war entschlossen!
Voll Neid hatte sie erst jüngst vernommen, daß ihre Schwester Johanna von Aragon wieder einmal durch ein Bild des Malers Tizian Ruhm davongetragen habe.
Sie schloß die Augen, so erfüllt war sie von dem Gedanken, daß ihrer Schwester Ruhm vor dem ihren verblassen würde.
Angekleidet war Felipe.
Nun gürtete er sich mit Dolch und Schwert.
„Ich stehe zu Ihren Diensten, Erlaucht“, sagte er und zeigte mit einer höfischen Verneigung, daß er eine edelmännische Erziehung genossen habe.
Voll schlug sie die Augen zu ihm auf.
„Felipe ...“, flüsterte sie.
„Madonna!“ schrie er und lag vor ihr auf den Knien.
Ihrem sanften Blick einer Liebenden war er nicht gewachsen gewesen. Sie aber beugte sich über ihn.
„Tat es sehr weh, was ich dir sagte, Felipe?“ fragte sie leise.
Seine Augen standen voll Tränen.
„Soll ich dich küssen, Felipe?“
Er reckte sich der Wollust des Kusses entgegen.
„Schließe die Augen!“ befahl sie.
Immer näher rückte ihm ihr Gesicht, bis er die Augen schloß, und ihre halbgeöffneten Lippen sich zu einem langen Kuß auf seinen Mund senkten.
Doch während sie ihn küßte, nahm sie den Dolch aus seinem Gurt und stieß ihm den Stahl fest und sicher in die Kehle.
32
Der Sklave Mohammed Sokolli, der von Ibrahim zum Leibpagen gemacht worden war, hielt sein Wort, das er den Damen im Basar gegeben hatte. Von Haleb aus hatte er schon einmal berichtet. Dann war längere Zeit keine Gelegenheit mehr gewesen. Aber in Bagdad konnte Sokolli dem Oberstleutnant der Zeltaufschläger wiederum einen Bericht zustecken, der noch in der gleichen Nacht auf dem Etappenweg nach Konstantinopel abging.
Der Bericht lautete:
„Dieses schreibt, wie ihm befohlen, der Sklave, der keinen Namen hat, und der diesen Brief dem gibt, dem er den früheren gab, und der den Staub küßt vor dem Sitz des hohen Befehls.
Nachdem Chaireddin der Rotbärtige, wie im vorigen Schreiben berichtet wurde, Haleb mit Ibrahim Paschas Auftrag verlassen hatte, die ungläubige Frau Giulia Gonzaga Colonna in Fondi auszuheben, damit sie in den Garten der Glückseligkeit gebracht werde und unserm Erhabenen Padischah eine Lust sein möge - befahl der Serasker Großwesir den Aufbruch des Heeres.
Und der Segen Allahs war über ihm; denn die Städte und Schlösser ergaben sich, auch Wan am See, die festeste der Festungen Persiens. Am ersten Tage des neunhunderteinund vierzigsten Jahres der Hedschra (des Jahres, da der Prophet vor seinen Feinden aus Mekka floh -gepriesen sei Allah!) zog Seine Hoheit der Großwesir dann mit dem Heer in die
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