Roxelane
Mann ebenfalls hergeben müßte.
„Was hat Ibrahim denn getan?“ erzürnte sich Esma, obwohl sie ganz genau wußte, was man ihm vorwarf.
„Genug, um sich den Hals zu brechen, wenn es nach mir ginge“, meinte Tamara denn auch gelassen, „und jede Frau, die diesen Namen verdient, muß so denken. Hat er sich in Haremsangelegenheiten gemischt oder nicht? Und kann man das einem Mann hingehen lassen?“ „Denkst du . . . an die Geschichte. .. mit dieser Italienerin?“ erkundigte sich Esma voll Unbehagen.
„Ganz recht“, nickte Tamara, „ich denke an Giulia Gonzaga.“
„Aber es war doch nicht Ibrahim, der sie überfallen ließ!“ lehnte Esma sich auf.
„Meine Liebe!“ winkte Tamara ab. „Ich hoffe, daß du mich nicht etwa glauben machen willst, der alte Chaireddin habe gewußt, was er tat. Der hat die Frauen, die ihm zeit seines Lebens unterkamen, gewiß immer nur nach ihren Brüsten und Schenkeln beurteilt. Eine Dame und vielbesungene Schönheit bedeutet dem doch gar nichts, und ich zweifle, ob er überhaupt weiß, was ein Sonett ist. Aber Soliman weiß es. Und dein Mann kennt unsern Bruder gut genug, um sich sagen zu können, daß der eine berühmte Frau schon aus Höflichkeit nicht einfach hätte stehen lassen. Sage mir nichts, meine Liebe! Es ist so. Davon sind alle überzeugt, auch Roxelane ist es, wenn die ohnehin nicht schon viel mehr weiß als wir alle.“
Es rächte sich jetzt an Ibrahim, daß er als Mann in diesem Fall nicht mit dem Harem gerechnet hatte. Bis jetzt war das auch noch niemals nötig gewesen, und so hatte er geglaubt, völlig im Hintergrund bleiben zu können. Aber weder die Damen noch ihre Eunuchen waren zu täuschen gewesen - selbst Esma nicht. Nur noch eine letzte schwache Verteidigung versuchte sie.
„Wann sollte es denn geschehen sein?“ fragte sie. „Ibrahim war ja schon fort, als Chaireddin hierher kam.“
Mit diesem Einwurf ärgerte sie freilich nur ihre Schwester.
„Du weißt ganz gut“, schalt Tamara, „daß der Alte in Haleb war. Und mindestens eine Nacht verbrachten er und dein Mann allein miteinander. Meinst du nicht, das genüge?“
So sehr Esma ihre Schwester sonst fürchtete, so war ihr die Anwesenheit Tamaras in diesem Augenblick doch ein Trost.
„Hilf mir!“ flehte sie ratlos.
„Dir?“ fühlte Tamara vor. „Das heißt wohl: Ibrahim soll geholfen werden? Und warum? Er ist doch allmächtig. Das hat sich an Iskender Tschelebi gezeigt. Roxelane hat den Mann ihrer Nino nicht schützen können. Soliman setzte sein Tughra unter den Todesbefehl. Es ist aus mit Roxelane und Soliman.“
Was Tamara vorbrachte, entsprach jedoch noch keiner festen Überzeugung. Sie kannte Roxelane so gut wie gar nicht, und ihrem Bruder war sie durch die letzten Jahre entfremdet. Ihr kam es nur darauf an zu erfahren, was Esma dachte, die mehr wußte als sie.
Und Esma dachte anders.
„Unsere Mutter hätte das nicht gesagt“, seufzte sie. „Wenn Soliman liebt, vertraut er vollkommen, und er liebt Roxelane nicht weniger als Ibrahim, nur daß Roxelane gerade nicht in Bagdad war.“
„Du sagst, daß Soliman seine Frau genauso liebt wie deinen Mann?“ stieß Tamara sofort nach. „Dann liebt er seine Frau mehr! Und aus Bagdad wird er zurückkehren.“
Esma kannte den scharfen Verstand ihrer Schwester, und, was mehr war, sie fühlte die Richtigkeit ihrer Worte.
Tamara aber nahm ihren Vorteil wahr.
„Wir müssen schnell handeln und tun, was längst hätte geschehen müssen“, sagte sie. „Weißt du irgendwo ein Mädchen, das hübsch ist, nicht gerade schön; dafür jedoch mit einem Fleisch begabt, das die Männer aufreizt? Dumm darf sie nicht, sein, doch auch wieder nicht klug ...“
„Wozu . . .?“ Noch verstand Esma die Schwester nicht.
„Wir müssen suchen - suchen, bis wir finden. Ich beteilige mich mit jeder Summe“, sagte Tamara.
„Wozu willst du das Mädchen?“ wiederholte Esma.
„Du bist Solimans Lieblingsschwester, was ich von mir nicht gerade behaupten kann“, spöttelte Tamara; „aber zwei Schwestern sind besser als eine. - Was ich mit einem solchen Mädchen will, fragst du mich? Ganz einfach! Wir nehmen bei Soliman Audienz und schenken es ihm. Dann kann er gar nicht anders! Er wird mit dem Mädchen reden müssen! Und vielleicht.. .“
„Aber das wäre ja dasselbe, was du Ibrahim vorwirfst!“ fiel ihr Esma empört in die Rede.
„Wir sind Frauen. Was einem Mann nicht verziehen werden kann, dürfen wir tun. Und wir sind Solimans
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