Roxelane
ihren beiden großen Dreiecksegeln und bei raumen Schooten schnelle Fahrt gemacht. Und jetzt drehte sie bei, die Segel flaggten, und der Anker wurde geworfen.
Kaum aber, daß die Feluke um ihn schwoite, kam auch schon ein Wachkommando breitseits und mit einer kriegerischen Rauheit an Bord, die bar jeder Achtung vor der grüngerandeten Serailflagge war.
Doch der Schiffer konnte den barsdien Offizier nur an den vornehmen Fahrgast verweisen, den nach Tenedos zu bringen die einzige Aufgabe des Fahrzeugs gewesen sei.
Darauf wollte der Beauftragte des Paschas Namen und Art des Gastes wissen.
Wie die Flagge das bereits andeute, sei das ein Aga des Serails, entgegnete der Schiffer, ein Aga des Innern.
Dieser Bescheid erweckte eine unziemliche Heiterkeit.
„Hoho!“ lachte der Offizier, der vielleicht ein ganz guter Korsar sein mochte, der sich aber von keiner der vielen Höflichkeiten Stambuls beleckt zeigte. „Ein Unbärtiger also, ein Eunuch?“
„Da kommt er schon“, flüsterte der Schiffer scheu; denn inzwischen hatte sich Oweis Aga selbst an Deck bemüht.
Eine schlanke Gestalt im gelbgegürteten, dunkelroten Gewand trat näher. Die hohe Kürbismütze ließ das schmale Gesicht. noch kind-licher erscheinen, und ein höfliches Lächeln der Lippen zeigte den jungen Menschen geneigt, dem kriegerischen Ankömmling Gehör zu leihen.
Es was wohl das erstemal, daß der rauhe Soldat einem Eunuchen des kaiserlichen Harems in aller Wirklichkeit gegenüberstand. Offenbar hatte er sich diese Leute anders vorgestellt, und irgend etwas, das er hätte belächeln können, war auch nicht an Oweis Aga zu finden. Dabei kannte der Offizier nicht einmal die besonderen Umstände dieses Aga, der schon seiner Mutter wegen die größte Beachtung verdient hätte. Denn die Obersthofmeisterin Dede Semid hatte zwei Söhne, und Oweis Aga, der hier auf den Deckplanken stand, war Ihrer hohen Exzellenz jüngerer Sohn.
Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr hatte er die drei Pagenkammern mit Erfolg durchlaufen, und ein schneller Aufstieg im Staatsund Palastdienst hätte ihm nicht nur durch mütterlichen Einfluß, sondern auch schon durch den erbrachten Beweis seiner eigenen Begabung offengestanden. Gerade da aber, als er nun endlich aus der strengen klösterlichen Zucht der Pagerie entlassen worden war, hatte er aus freien Stücken den Entschluß gefaßt, auf eigene Fortpflanzung zu verzichten.
Selbst seiner Mutter hatte er niemals die Veranlassung verraten. Niemand wußte also, ob ein besonders abstoßender Vorgang oder Familienrücksichten den feinfühligen Jüngling dazu bestimmt haben mochten.
Jedenfalls hegte er eine leidenschaftliche Verehrung für seine Mutter und hing sehr an seinem Bruder. Von seinem Eintritt in den Inneren Dienst an war denn auch sein eigenes Leben in denselben Kreisen verlaufen wie das Dede Semids. Und dem Seheb, der die Familie fortzupflanzen hatte, würde er als Sohn der Obersthofmeisterin und mit einem einflußreichen Bruder im Inneren Dienst nach menschlichem Ermessen nicht an Beförderung fehlen.
Denn auch Oweis hatte mit seinen sechsundzwanzig Jahren bereits einen Einfluß, den man zu berücksichtigen begann.
Er war sofort Kapuoghlan, Pagenerzieher, geworden und hatte Staatswissenschaften und Erdkunde gelehrt, wozu ihn eine besondere
Neigung trieb. Nach einer Reihe von ehrenvollen Sonderaufgaben war er ins Sekretariat des Obersthofmeisteramts gekommen und schließlich sogar Geheimschreiber Roxelane Sultanas geworden, was wiederum zur Folge gehabt hatte, daß ihm Ihre Hoheit bald dasselbe Vertrauen schenkte wie seiner Mutter.
Es war demnach kein Wunder, daß Dede Semid gerade für diesen Sohn ihren besonderen Ehrgeiz hegte. Und wenn sie auch nicht wünschte, daß er den bewährten Obersthofmeister Bolil Aga verdrängen möge, so hoffte sie doch bei eintretender Vakanz auf die Stelle des Chaßoda Baschi, des Präfekten der Innersten Kammer, der das An- und Auskleiden des Kaisers zu überwachen hatte und als Siegelbewahrer dem Kapu Aga, dem Obersthofmeister, an Machtfülle ebenbürtig, wenn nicht überlegen war. Dann würden Mutter und Sohn beide Träger des kaiserlichen Siegels sein, dessen sich außer ihnen nur noch der Großwesir würde rühmen können.
Aber auch jetzt schon war dieser junge Mensch eine Persönlichkeit, die der Kluge besser ernst nahm, und der Schiffer der Feluke fürchtete sehr für den unvorsichtigen Offizier, der den Aga einem scharfen Verhör zu unterziehen wagte, um ihm dann nicht
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