Roxelane
bedeutet wirklich nichts?“
„Es bedeutet, daß ich mich nicht einer Freundin entäußere, weil sich ihr Gatte verging.“
„Du glaubst wirklich, daß Iskender sich verging?“
„Wir müssen es alle glauben. Der Padischah hat immer recht, Schwester.“
„Und der Großwesir ...?“ zauderte Esma.
„Er hatte Solimans Tughra“, schnitt Roxelane kurz ab und machte einige Schritte, um Esma ihre Qual nicht sehen zu lassen.
„Wie groß du bist“, bewunderte Esma sie, „und wie großmütig!“ „Vielleicht bin ich nur etwas einfacher“, meinte Roxelane leichthin, „weil ich nicht in eine kaiserliche Wiege hineingeboren wurde wie du.“ „Dann bin ich nur noch neugierig, wie du dich zu der Sache in Fondi stellst“, wagte Esma fast schon getröstet einen letzten Vorstoß.
Aber Roxelane lachte nur.
Es sei erheiternd, meinte sie, sich den Barbarossa als Brautwerber vorzustellen.
Gänzlich beruhigt war Esma jedoch nicht.
Und ob die Schwägerin dann nicht an Einflüsterungen glaube oder an Aufträge, die der Alte nur ausgeführt habe? forschte sie. Roxelane schüttelte den Kopf.
Sie glaube nicht daran, versicherte sie so überzeugend, daß Esmas Mißtrauen allmählich verschwand.
„Ich bin nicht leichtgläubig, Liebste“, hob Roxelane hervor. „Vielleicht hat den Kapudan einer seiner Genossen auf diese Giulia aufmerksam gemacht. Aber gewiß war das nicht dein Mann. Selbst wenn Ibrahim dazu gestimmt gewesen wäre, hätte er sich doch gesagt, daß der Verdacht gerade auf ihn zuerst fallen müsse. Er hat alle Ursache, auf Chaireddin ungehalten zu sein, denn er kennt doch Soliman! Was, meinst du, hätte Soliman wohl für ein Gesicht gemacht, wenn man ihm, wie sich der Barbarossa das so vorstellte, die Italienerin angebracht hätte?“
Und nun war auf einmal keine Roxelane mehr da.
An ihrer Stelle bewegte sich ein seltsames Geschöpf durchs Zimmer, das Esma die Empfindungen, Ratschläge und Wünsche einer über alles erhabenen Virago klarzumachen versuchte.
Immer mehr steigerte sich Roxelane in ihre Rolle hinein, und immer gezierter dehnten sich die Worte einer Giulia, die nur eine Gestalt ihrer freien Erfindung war und doch wie das Leben wirkte.
Ganz Churrem, die Fröhliche, war Roxelane wieder.
Von der lachenden Esma aber wich jeder Druck. Und wie ähnlich sich Roxelane und Ibrahim doch in manchem seien, mußte sie denken. Denn in Ibrahims Gesellschaft sich zu langweilen, war ebenfalls nicht möglich. Soliman wußte das. Und seine Schwester nahm sich vor, ihrem Ibrahim bei dessen Heimkehr ernstlich ins Gewissen zu reden, um eine Versöhnung zu bewirken, der nach ihrer Meinung so gar nichts im Wege stehe. - Esma hatte keine Angst mehr, und sie wollte auch keine mehr haben!
„Wie machst du es nur“, fragte sie, „daß du immer so heiter bist - so sicher?“
„Das machen die Kinder und nicht ich“, lachte Roxelane.
Und da der Lärm der jungen Gesellschaft gerade heraufdrang, zog es Esma auch sogleich in den Garten.
„Geh du zuerst“, trieb Roxelane sie an. „Ich komme nach. Die Kinder wollen dich auch einmal allein haben. Du warst lange nicht bei uns, und sie haben immer nach dir gefragt.“
Als Esma dann gegangen war, hatte Roxelane Mühe, sich aufrecht zu halten. Starr lehnte sie am Fenster und blickte in den Garten. - Ihre Kinder spielten.
Über den Rasen war aufrecht und in halber Körperhöhe ein Netz gespannt. Darüber hinweg warfen die Kinder mit Schlägern Bälle von der Größe ihrer Fäuste.
Es war ein altes persisches Spiel. Aber niemand dachte mehr an die Gottlosigkeit seiner Herkunft. Und die jungen Menschen waren in ihrer Spielerregung überhaupt auf nichts anderes in dieser Welt bedacht, als den Ball des Gegners zurückzuschlagen.
Im übrigen suchten sie bereits Haltung zu bewahren, was ihnen nur noch nicht immer gelang.
Mohammed Soliman und Selim befanden sich in den Pagenkammern und Dschihangir sollte hineinkommen. Alle drei waren sie die ergebenen Kavaliere ihrer Schwester Mirmah, der sie die Bälle aufhoben, wenn die diensttuenden Eunuchen einen übersahen.
Mirmah sah reizend aus. Wie die Knaben hatte sie die Oberkleider abgelegt und spielte im gegürteten Hemd und in hellblauen, kleingeblümten Seidenhosen. Sie hatte einen harten Schlag, der ihre Bälle knapp übers Netz trieb. Mohammed Soliman spielte weicher, während Selims Gewaltsamkeit den Ball zum großen Gelächter aller oft hoch in die Lüfte schnellte.
So recht gewachsen war nur Dschihangir seiner
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