Roxelane
Kanonen.
Da hatte der Kaiser durch das Spalier seiner Truppen und seines Gefolges mit den wenigen den zweiten Hof des Serails erreicht. Die Herren des kaiserlichen Steigbügels waren zurückgetreten, und der Obersthofmeister und der Oberststallmeister hatten mit Beistand der übrigen sechs Herren der Achsel dem Großherrn unter die Arme gegriffen und ihn vom Pferd gehoben.
Nun durften die Wesire und hohen Ulema dem Herrscher noch die Hand küssen, und dann schritt er mit den allerwenigsten davon.
Mit jedem Winken seiner Hand blieben einige Herren seiner Begleitung zurück, immer mehr, bis er vor den vier Toren der Glückseligkeit anlangte.
Kein anderer als der Padischah durfte diese Tore durchschreiten.
Sie führten in den kaiserlichen Harem. In ein Haus der Frauen? Nicht in ein Haus, sondern in eine Stadt und eine Landschaft, die den Frauen gehörten, führten diese vier Tore.
Hier endete das Reich des Kapu Aga, des Obersthofmeisters und Vorstehers der weißen Eunuchen. Bei den Frauen versahen die schwarzen Verschnittenen den Dienst, Abessinier zumeist; denn Neger zu verschneiden verbot das Gesetz.
Nachdem der Kapu Aga also die feierlichen Schläge getan, trat er ab. Selbst ein so großer Herr wie er wurde hier überflüssig; denn es gebührte sich, daß der Herrscher allein stand, wenn die Tore der Frauen sich vor ihm öffneten.
Die Osmanensultane waren Sunniten. Mit puritanischer Strenge hielten sie nicht nur zum Koran des Propheten, sondern auch zur Sunna, der Richtschnur der Gläubigen.
Keine anstößigen Darstellungen von Mensch oder Tier beleidigten daher Solimans Augen. Nur zarte Schmucklinien umliefen die Tür von Erz, die sich in hohen, schweren Flügeln vor ihm auftat.
Nach wenigen Schritten war die zweite Tür aus Zedernholz mit gebuckelten Messingbeschlägen erreicht und ebensobald die dritte aus Silber mit Türkisen vom Sinai.
Wenn beim öffnen der Türen menschliche Hände im Spiel waren, so blieben sie doch unsichtbar, während der Herrscher hindurchschritt. Vor der vierten Tür aber grüßten die Wächter den Herrn. Aus edelster golddurchzogener Bronze war die Tür, und sie schmückte sich zu allen Zeiten des Tages und der Nacht mit dem Licht, wie es der Himmel herabsandte.
Jetzt war es hinter der Durchbrochenen Tag, und schräge Strahlen ließen den Teppich von Kandahar aufleuchten, den der Kislar Aga, das Haupt der schwarzen Eunuchen des Harems, mit seinen Räten in dreifachem Salaam mit der Stirne berührte.
Als Lokman Aga, der Kislar, sich dann erhob, legte er nur zwei Finger der Rechten an die Tore, die sich, wie durch diesen sanften Druck bezwungen, sogleich feierlich öffneten.
Wie eine lichtumflossene Säule stand Lokman nun in seinem marderbesetzten weißgelben Ornat vor dem Horizont. Denn die Tore lagen auf dem Serailhügel erhöht über den paradiesischen Gärten, die sich von hier zum Meer hin senkten.
Lokman hatte nichts von der Unförmigkeit mancher anderer Verschnittener wie etwa von der des großen Feldherrn und Eunuchen Suleiman, des Paschas von Damaskus, dem vier Männer aufhelfen mußten, wenn er sich vom Sitz erheben wollte. Lokman war hager und groß. Was von seinen Haaren unter der Kürbishaube der Eunuchen hervorkam, war weiß. Hände und Gesicht des Abessiniers waren im Lichten das einzige Dunkle.
Wie den Wesiren standen ihm drei Roßschweife zu; denn der Kislar Aga war nicht nur ein Mädchenhüter, sondern er war auch zugleich Kurator aller kaiserlichen Moscheen und Universitäten sowie der heiligen Städte Mekka und Medina. Und wenn Lokman auch selbst kein Dichter war, so beschützte er Dichtkunst und Gelehrsamkeit doch so freigebig, daß man in Basaren und Bädern, wo die öffentliche Meinung gemacht wurde, Seine Exzellenz als den Gönner pries, der, ob auch der Docht seiner Männlichkeit erloschen sei, das Licht des Geistes dafür zu um so höherer Flamme entfache.
Eine kaum merkliche Gebärde Solimans, und der Kislar trat beiseite.
Ungehindert schweiften die Blicke des Kaisers nun über die Weltstadt hin, auf deren gestuften Hügeln neben- und übereinander zypressenumstandene Moscheen und Paläste prunkten, über das barkenwimmelnde Goldene Horn und den Bosporus schweiften sie zu den freundlich heiteren Dörfern am asiatischen Ufer und wieder zur Serailspitze zurück, an der sich schäumend die Flut brach.
Das waren die Stadt, der Meerstrom, der Hafen.
Das Serail selbst war eine Welt für sich.
Ein weißes Gebäude von verschwenderischen Ausmaßen,
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