Roxelane
den Kapu Aga, den Obersthofmeister und Vorstand der weißen Eunuchen.
Zwar mißbilligte der Prophet im Gegensatz zur Bibel die Entmannung - hierin jedoch wie in anderem waren die Osmanen Erben des heiligen christlichen Reiches von Byzanz, und hier wie dort spielten die Unmänner die größten Rollen. So waren denn wohl alle Herren des Hofstaats als gute Moslems beschnitten; die meisten aber nach der Vorschrift ihrer Ämter auch obendrein noch verschnitten.
Nun erst erschienen die Tschausche, die Staatsboten und Botschafter des Reiches, und wie es dem Koran als unziemlich galt, durch einen andern Laut als den der menschlichen Stimme zum Gebet zu rufen, für ebenso vermessen wurde es erachtet, den Großherrn auf andere Weise anzukündigen.
Ohne Anfang und Ende priesen die stattlichen Herren unter ihrem Tschauschbashi in dreifach verschlungenem Chor Sultan Soliman Khan, den Kaiser und Herrn, den Beschützer der Heiligen Städte von Mekka und Medina, den Herrn zweier Meere und Weltteile, den Vollender der vollkommenen Zehnzahl. Alai! Alai!! Alai!! Ohne Aufhören rankte sich das hallende Alai durch die verschlungenen Worte und kündigte Ihn an, den Einen.
Und dann kam er selbst.
Hinter sieben Roßschweifen kam er.
Seit nach der Legende einst ein Türkenkhan in der Schlacht seinem Pferd den Schweif abgehauen hatte, um sein Heer nach Verlust aller Fahnen unter diesem Zeichen zu sammeln, war der Roßschweif der sichtbare Ausdruck jeder osmanischen Befehlsgewalt, wie er es im China der Tang-Dynastie gewesen war, wo Türken als Prätorianer gedient hatten.
Hinter sieben Roßschweifen kam Soliman.
Von den Helmen der Hartschiere war er umblitzt, von den Reiherbüschen der goldgepanzerten Solaks umschattet. Seinen linken Steigbügel hielt der Oberststallmeister, den rechten der Oberstkämmerer, den linken Zügel der zweite Stallmeister, den rechten der Träger der heiligen Fahne, während die noch übrigen Herren des kaiserlichen Steigbügels, darunter Ibrahim der Epirote, der Oberstfalkenmeister und Freund des Sultans, die Hufe des kaiserlichen Rosses umringten und der Schatzmeister des Serails Geld auswarf.
So ritt Soliman auf einem Falben durch sein begeistertes Volk.
Die Jusufi schmückte sein Haupt, der hohe, mit drei funkelnden Reiherbüschen bekrönte Turban.
Über das grünseidene Gewand floß ihm von den Schultern goldener Brokat, der bei jeder Bewegung des Reitens im Aufschlagen das Futter aus Hermelin zeigte. Sein gebogener Säbel aber war ein einziger Glanz. Das kaiserliche Schwert vertrat Reichsapfel, Zepter und Krone. Kein Fürst aus dem Haus der Osmanen war Kaiser, ehe er nicht inmitten seiner Truppen mit dem Schwert umgürtet worden war. Achtundzwanzig Jahre war Soliman alt.
Schlank, hoch und dunkel saß er im Sattel.
Auf langem Hals ruhte mit allen Erbzeichen einer natürlichen Zuchtwahl ein schmaler Kopf.
Zwar trugen die türkischen Kaiser unter vielen Namen auch den des „Sohnes der Sklavin“. Doch in den kaiserlichen Harem kam immer nur das Erlesenste an Frauen, sei es als Beute oder als Geschenk oder als Tribut. Und ob in Konstantinopel jetzt statt des Kreuzes auch der Halbmond herrschte - in einem hatte sich nichts geändert: Weibliche Schönheit galt immer noch als Adelsbrief und konnte bei großem Glück bis an die Stufen des Throns führen.
So hatte Soliman seine herrscherliche Haltung von beiden Eltern geerbt, auch von Hafsa Chatun, seiner Mutter. Gerade von ihr! Unter seinen weit auseinanderstehenden großen braunen, ein wenig traurigen Augen bog sich schmalrückig die Nase. Uber die dünnen Lippen hing ihm der Schnurrbart leicht nach unten. Das Kinn trug er bei seiner Jugend noch nackt.
Nur seine Augen schweiften über Menschen und Dinge.
Den begeisterten Alairufen sich dankend zu neigen, verbot diesem edlen und rassigen Kopf das Zeremonial.
Das tat der Großmeister des Turbans für ihn, der zugleich Ausbreiter des Gebetsteppichs und Zweiter Innerer Aga war.
Dieser hohe Beamte ging mit einem zweiten kaiserlichen Kopfschmuck dicht vor der Majestät einher und neigte diesen Turban nach links und rechts dem begeisterten Volke freigebig dankend zu.
„Alai unserm Padischah, Sultan Soliman Khan Alai! Dem König der Könige, dem Herrn der Welt! Alai! Alai! Alai!“
Der Ruf der Tschausche verklang im Brausen, das den kaiserlichen Zug empfing und ihm folgte.
„Alai, Alai. . .!“
Das letzte Flimmern eines gewaltigen Glanzes erlosch, und endlich donnerten dann ein fünftes Mal die
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