Roxelane
über und über mit Türmchen und vergoldeten kleinen Pyramiden besät, glich es mit seiner Fülle von riesigen Höfen mehr einer Stadt als einem Haus, und als habe es in unbezähmbarem Ausdehnungsdrang immer wieder Kinder gezeugt, so lagen noch zahllose Einzelpaläste, die Konaks, in den Alleen und Labyrinthen der Gärten versteckt, zahlreicher die kleineren Köschke, die Pavillons aus lasierten Kacheln oder aus dem Marmor, den die Tempel Griechenlands oder der Marmorbelag ägyptischer Pyramiden ihnen wie den andern Gebäuden hatten liefern müssen.
Ein Drittel der Türkenstadt bedeckte dieses Serail, und wer seine Gärten durchwanderte, dem hätten sich in Blumen und Parks, Bosketten und Wiesen, Irrgärten, Wasserkünsten und Gewässern immer neue und überraschende Reiche erschlossen.
Aber es waren verbotene Gärten.
Kein Mann betrat sie außer einem.
Als einziger Mann betrat Soliman dies Reich von über dreihundert Frauen, die alle nur ihm gehörten.
Dreihundert Damen mit Eunuchen, Hofmeisterinnen, Gouvernanten und Mägden lebten dort in Kinderstuben und Boudoirs, in Konzertsälen, Reitbahnen und Hallen, in einer Stadt, für die hundert Köche, fünfhundert Konditoren und mehr als zweitausend Palastgärtner arbeiteten. Scheinbar nur dem Augenblick lebten sie, da die Majestät geruhen würde, eine von diesen Damen zu bemerken. Jetzt aber wollte Soliman allein sein, und er war es.
Er war von Anfang an ein zärtlicher Vater gewesen, und der Tod seiner Kinder bedrückte ihn tief.
Sogar junger Ruhm konnte seine Schwermut nicht lindern. Und doch hatte er bereits im ersten Jahre seiner Regierung dieselbe Stadt erobert, die der Eroberer Konstantinopels selbst, Mohammed der Zweite, vergeblich bestürmt hatte. Belgrad an der Donau war sein, und der junge Ungarnkönig mußte sich nun entscheiden, ob er den Weg mit der Türkei oder gegen sie gehen wolle.
Diese Wahl ließ Soliman dem greisen Großmeister der Johanniter nicht. Wie ein Pfahl im Fleisch lag die Ordensinsel Rhodos Kleinasien feindlich vorgelagert und störte die Verbindung mit Ägypten. Auch Rhodos hatte den Vorfahren widerstanden, aber ihm, Soliman, sollte es fallen wie Belgrad.
Alles war vorbereitet, nur noch wenige Tage trennten ihn vom Aufbruch mit dem Heer. Von seiner Mutter und seiner ganzen Familie hatte er sich verabschiedet, und eigentlich war er gewillt gewesen, diesen letzten Abend in Konstantinopel mit seinem Freunde Ibrahim zu verbringen. Aber die Walide hatte ihn an die schöne Saffieje erinnert, und ein Wunsch der Mutter war für jeden ehrerbietigen Sohn so gut wie ein Befehl. Für Soliman war er es.
Die Sultana Walide hatte viel für die junge Sultana übrig: denn Saffieje war aus dem gleichen cirkassischen Stamm wie sie selbst. Und dann war Saffieje Sultana die Mutter des Prinzen Mustafa, auf dem jetzt alle Hoffnung ruhte.
Soliman mußte lächeln, als er an seinen sechsjährigen Jungen dachte, seinen einzigen nun, dessen Hautfarbe ebenso weiß wie seine eigene dunkel war, an das kluge und schöne Kind. - Auch ohne das Erinnern seiner Mutter würde er sich jetzt freuen, den Knaben zu sehen und natürlich auch Saffieje, die Reine, wie der Name besagte, die aber ebensogut auch die Stolze hätte heißen können. Und daß Mustafa nunmehr der einzige war, mochte schmerzlich, aber für den Sohn dennoch das beste sein. So war von ihm genommen, was zu tun und zu leiden gleich schwer war. ,Wer von meinen erlauchten Söhnen' und Enkeln zur höchsten Macht gelangt ', lautete der Kanun des Eroberers, ,der darf seine Brüder sterben lassen für die Ruhe der
Welt.' - Dieses Dürfen war ein Muß; denn das Gesetz war hart, aber berechtigt.
Manches Mal schon war das Reich durch Prinzenkriege erschüttert worden. Noch Solimans Großvater Bajesid hatte mit seinem Bruder Dschem um die Herrschaft kämpfen müssen, bis der Prinz schließlich im fremden Italien dem Gift des Papstes Alexander, des Borgia, erlegen war. Und Solimans Vater war es nicht viel anders als Bajesid ergangen. Auch er hatte mit seinem Bruder gekämpft.
Trotzdem fühlte sich Soliman weniger durch die Erinnerung an offene Feldschlachten bedrängt als durch den Gedanken an die Erdrosselungen junger Osmanenfürsten, die fast jeden Thronwechsel einleiteten.
Ihm selbst hatte die blutige Hand seines Vaters es erspart, den Kanun anwenden zu müssen. Bereits als mutmaßlicher Thronerbe war er ohne Brüder gewesen, und vielleicht verdankte er nur diesem Umstand sein Leben. Sein Vater, der
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