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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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sank dann zurück. Sein Lächeln war wie sein letztes Spiel.
    Er war betrunken.
    Doch da Soliman jetzt zu zechen begann, wurde sich Ibrahim dessen gar nicht bewußt und tat dem Freund prahlerisch Bescheid, bis der letzte seiner Sinne von ihm gewichen war.
    Ibrahim schlief.
    Soliman stand vor ihm und betrachtete ihn lange voll Mitleid und
    Gram. Auf seinem Antlitz glomm kaum noch ein Funke von Hoffnung.
    Die Hände zitterten ihm vor Furcht, als er sich auf den Röchelnden niederbeugte, um ihm das Gewand am Hals zu öffnen.
    Als er dann aber die feine Kette löste, an der das silberne Kreuz hing, das Kreuz Serafims - da zitterte er nicht mehr. Doch die letzte Hoffnung war aus seinem Gesicht gewichen und mit der Hoffnung das Mitleid. Jetzt war er nur noch der Mann, der seine Frau vor der Brunst des andern schützte.
    „Er hat das Kreuz“, klang es in ihm, „er hat das Kreuz . . .“
    Und die Worte nahmen die Melodie der Fatihe an, der ersten Sure, die das Totengebiet ist.
    Alle Kerzen löschte Soliman bis auf eine, die er zu Häupten des Schlafenden stellte.
    Dann entfernte er sich lautlos und gab mit seiner Entfernung das Zeichen.
    Im Schlafzimmer hielt Soliman inne und stieß den Riegel vor. Er wartete und horchte zum verlassenen Freund hin, von dem er sich auf immer geschieden hatte.
    Nur zwei Wände und ein Zimmer lagen zwischen ihnen - dennoch war die Entfernung in diesem Leben nicht mehr zu überwinden.
    Denn jetzt würde sich aus dem Schatten ein Schatten erheben. Immer näher würde der Neger der Kerze kommen, und dann.. .
    Ein Schatten erhob sich. Aber vor ihm selbst!
    Sei es schon soweit gewesen, fragte er sich, und sende Ibrahim das Verderben jetzt ihm?
    Doch dann flüsterte der Schatten vor ihm, und dann war der Schatten Roxelane.
    Noch nie war sie zu ihm gekommen. Immer hatte er sie aufgesucht. Jetzt jedoch war sie da, und er spürte ihre Wärme durch das leichte Kleid. Er hielt das Leben. Jenseits der Tür war der Tod. Es war gut, es war sehr gut, daß er das Leben in seinen Armen hielt.
    Denn mochte der Tod auch als ein unhörbarer Schatten gekommen sein - jetzt wurde er körperhaft und laut.
    Ein Schrei durchriß die Stille.
    „Hilfe ...!“ schrie es.
    Und es war des Freundes Stimme, die schrie.
    „Soliman ...!“ schrie die Stimme. „Hilf mir! Soliman . ..!“
    Selbst in diesem Augenblick konnte der Freund nicht glauben, daß ihn der Freund verurteilt habe.
    „Ich lasse dich nicht!“ flüsterte es neben ihm, und das war Roxelane. - Sie stand an der Tür.
    Das Gewand war ihr beim Ringen zerrissen, und er spürte ihre nackte Haut.
    „Er schläft nicht, Churrem! Er ist erwacht!“ flehte er.
    Man hörte das Poltern gestürzter Möbel, das Klirren und Krachen zerschmetterter Gefäße. Trotz seiner mittleren Größe war Ibrahim stark und gewandt. Als ein gefährlicher Gegner erwies er sich für den riesigen Neger, und Soliman fühlte, wie er stolz auf diese Gewandtheit und Stärke des Freundes war - und wie er ihm den Sieg wünschte!
    „Ich lasse dich nicht zu ihm!“
    Es war Roxelane, die es rief. Sie war nur noch kämpfende Mutter, eine Frau, die sich schützend vor ihren Mann warf.
    Für Soliman gab es keinen Weg zurück in den Garten. Wie ein zorniger Engel stand die Frau auf dem Weg.
    Sie umklammerte seinen Kopf und hielt ihm die Ohren zu, damit er nicht höre.
    Und er dachte an nichts als an Flucht.
    Flucht vor der Welt wollte er, vor dem Leben, vor sich selbst. Flucht in die Stille und in das Dunkle, zurück in den mütterlichen Schoß, zu den Urmüttern des Erdreichs, aus dem er gekommen war. Ausgelöscht wollte er werden, auslöschen in der Frau, die ihm den Garten wehrte und deren Fleisch er mit Händen griff. Eine Woge todesnaher, unwiderstehlicher Wollust schlug über ihm und seiner Verzweiflung zusammen.
    Nichts wußte er mehr von sich und dem Freund, und die Erde verschlang ihn.
    Wie Cäsar starb Ibrahim an den Iden des März, am Fünfzehnten dieses Monats im fünfzehnhundertsechsunddreißigsten Jahr nach der Geburt des Sohnes der Maria.
    Sein Leichnam wurde im Derwischkloster zu Galata begraben.
    Ein Baum bezeichnet die Stätte.
    Roxelane aber gebar im Dezember des gleichen Jahres einen Sohn. Die Eltern nannten ihn Bajesid.

DRITTES BUCH

39
    Konstantinopel war schwarz beflort. In Ungarn hatte Soliman freilich gesiegt. Anlaß des Feldzuges war König Johann Zapolyas Tod gewesen, den Wien zur Gewinnung Ungarns auszunützen sich bestrebt hatte. Aber Briefe der Königin-Witwe Isabella

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