Roxelane
an Soliman und an Roxelane hatten den Kaiser veranlaßt, zugunsten von Zapolyas nachgeborenem Sohne Sigismund persönlich einzugreifen und Ungarn einstweilen für sich selbst zu nehmen. Bis zur späteren Entschädigung war die junge königliche Witwe mit ihrem Säugling nach Siebenbürgen geschickt worden.
Vorher schon hatte Soliman den Krieg gegen Venedig gewonnen.
Im Glanze einer nie gesehenen Machtfülle thronte also der immer siegreiche Padischah zu Konstantinopel, und trotzdem hatte die Hauptstadt Trauer angelegt.
Denn Roxelanes und Solimans ältester Sohn, die Freude seiner Eltern, die Hoffnung des Reichs, Sultan Mohammed Soliman Khan, war am sechsten November 1543 in Magnesia, der Hauptstadt seiner Statthalterschaft Saruchan, im Alter von einundzwanzig Jahren verschieden.
Nur eine kleine zweijährige Prinzessin hatte er hinterlassen - keinen Sohn.
Roxelane merkte kaum, daß man ihr die schwarzen Kleider anlegte, und doch war eine Menge von Menschen um sie bemüht. Denn wegen des bevorstehenden Begräbnisses hatte man den Großen Dienst für sie aufgeboten. Sie aber starrte durch die Menschen, wie sie durch die Wände starrte.
Wohl stand sie hochaufgerichtet da. Viele Genossinnen ihrer Jugend, und jüngere als sie, hatten keine Erinnerung an ihre einstige Blüte
aufzuweisen. Dick waren diese Schönheiten geworden, oder sie waren verdorrt. Wenige nur hatten Spuren von ihren Reizen bewahrt.
An Roxelane war die Zeit fast ohne sie zu berühren vorübergegangen. Einige silberne Fäden konnten das kupferne Leuchten ihrer Flechten kaum beeinträchtigen. Winzige Falten machten ihre Augen wissender und weicher als die eines Mädchens oder einer jungen Frau. Die Umrisse ihrer Gestalt waren unverschwommen und klar wie die Züge ihres Gesichts. Noch immer beherrschten es die Backenknochen, die blaugrauen Augen, der etwas zu große Mund, die kräftigen weißen Zähne, und ihre Haut hatte jenen durchsichtigen Glanz wie einst, nur daß auf den Wangen ein Pfirsichhauch lag, der nicht ganz natürlich schien und doch nicht von Schminke herrührte, sondern dem Kundigen eher ein Leiden anzeigte. Gebietender freilich war Roxelane in Haltung und Bewegung geworden. Ihre Anmut aber hatte sie darum nicht verlassen.
Es war schwer, in dieser Neununddreißigjährigen die Großmutter zu sehen, die sie war.
Nun jedoch hatte das doppelte Gewicht von Trauer und Sorge die Fröhliche versteinert.
Sieben kampflose Jahre lagen hinter ihr.
Zwar hatte sich der Gedanke an Esmas Geschick hin und wieder wie ein Nebel auf ihr Glück gesenkt, und nie mehr würde sie die stumme Verzweiflung vergessen, in die Ibrahims Ende die Freundin gestürzt hatte. Aber sonst waren es für Roxelane und ihre Kinder Jahre der Ruhe und Sicherheit gewesen.
Wenig hatte es ihr verschlagen, daß Mustafa noch immer Statthalter in Magnesia gewesen war; denn der Tag der Bereinigung hatte kommen müssen und war gekommen.
Noch nicht zwei Jahre war es her, da hatte ihr Ältester Mustafas Provinz bekommen, die Statthalterschaft des Schahzadey, des Thronfolgers, weil der Weg von Magnesia bis Konstantinopel zum Vater und nach dessen Tode zum Thron der kürzeste war.
Scheinbar ohne Widerstand hatte sich Saffiejes Sohn schon vorher in seine neue Provinz nach Amasia am Pontus begeben, wobei ihm der Wechsel des Amtes durch eine Vermehrung seiner jährlichen Einkünfte um eine halbe Million Asper vergütet worden war. Und zuletzt hatte auch Roxelanes zweiter Sohn Selim eine Statthalterschaft erhalten. Nach Konia war er gegangen.
Alles war nach Roxelanes Willen geschehen.
Das Volk und das Heer hatten Mohammed Soliman geliebt, und bei ihm, dessen fester und vornehmer Gesinnung sie immer sicher gewesen war, hatte sie das Leben ihrer drei anderen Söhne und auch das ihres Stiefsohnes Mustafa ungefährdet gewußt.
Nun aber erhob sich mit dem Tod ihres ältesten Sohnes Mustafas Kandidatur von neuem.
Prinz Selim war wenig beliebt, Dschihangir ein Krüppel, der nach osmanischer Vorstellung den Thron nicht besteigen konnte, und Bajesid war noch zu jung. Bis er herangewachsen wäre, würde sich die öffentliche Meinung längst entschieden haben.
Dagegen galt Mustafa als ein gerechter Fürst und Beschützer der Wissenschaften. Unter dem Dichternamen Muchlißi, des Aufrichtigen, hatte er selbst Gedichte verfaßt, die sogar vom Lyriker Baki gelobt worden waren, und mit dem Philologen Sururi war er befreundet.
Nach Mohammeds Tode war Mustafa zweifellos unter den Söhnen Solimans
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