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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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die glänzendste Erscheinung, und Roxelane sah es kommen, daß sich aller Augen ihm zuwenden würden.
    Nicht einmal gleich im Rang stand sie seiner Mutter Saffieje gegenüber, der sie nach Hafsa Chatuns Willen den Titel einer Chasseki gelassen hatte, und alles schien ihr genau so grau, als wenn Ibrahim nie gestorben wäre.
    Wieder und wieder mußte sie an ihre Schwiegermutter denken und an den Schwur, den sie ihr geleistet hatte.
    ,Dein Handeln aber sei', hatte Hafsa Chatun gesagt, ,nicht zu dulden, daß Mustafa ein Leid geschehe. Denn jeder Mutter Sohn ist ein Sohn, und jeder Getötete ein Toter.'
    Und auf die Frage der Sterbenden, ob das ein Eid sei, hatte Roxelane mit fester Stimme bejaht.
    Die Tote hatte sie nicht geliebt, aber sie hatte ihr vertraut.
    „O Serafim!“ seufzte Roxelane.
    Ihre Knie wurden schwach, und sie beugte sie vor Serafims Gott oder vor welchem auch immer, weil er ja doch stets derselbe war.
    Ein Wink der Obersthofmeisterin, und die Gebieterin war allein mit ihrem Gebet.
    Alle Herrschaft geht zugrunde,
    Aller Menschen harrt die Stunde -
    klagt das Totengebet im dumpfen Wohllaut aus den Kehlen der Koranleser, und:
    Er allein, in dessen Händen Alles ruht, wird niemals enden,
    Zeit und Tod sind nichts vor ihm -
    übersteigerten die höheren Stimmen die Klage.
    Roxelane schluchzte laut auf und eilte ans Fenster.
    Es war ihr Sohn, ihr eigenes Kind, das man beklagte. Den Hinweis auf den Höchsten aber hatte sie überhört.
    Sie blickte aus dem Fenster und auf das Goldene Horn.
    So weit Roxelanes Blicke reichten, standen alle, die im Staat und an der Moschee etwas bedeuteten, mit den Truppen des kaiserlichen Hauses und mit den Janitscharen und Sipahi in Trauergewändern oder umflort auf der Lände.
    Von der Galeere, die im Geleit einer Flotte den toten Prinzen von Smyrna zur Hauptstadt gebracht hatte, war der Sarg ausgebootet worden.
    Der Säbel und der Staatsturban des Verstorbenen leuchteten auf dem Schwarz. Aber bald würde die Erde auch dieses letzte Aufflackern einer zeitlichen Pracht verschlungen haben.
    Denn schon traten die Wesire heran, um den Schwarzverhangenen auf ihre Schultern zu nehmen und zum Platz bei den Quartieren der Janitscharen zu tragen. Später sollte sich über dem Grab eine Moschee erheben. So hatte es Roxelane gewünscht, und ihre Stiftung, die sie vor sieben Jahren beim verstorbenen Mufti Saadi Effendi hinterlegt hatte, war von ihr dazu bestimmt worden.
    Als die Schultern der höchsten Staatsdiener den Sarg berührten, schossen die Flotte und die Strandbatterien Salut.
    Zugleich erhob sich das Wehgeschrei der Truppen und der ganzen Stadt.
    Ein Sohn des Padischah war gestorben. Der Schahzadey war dahin. Wesire waren die Sargträger.
    Jeder von ihnen hatte ein Recht auf diesen Dienst, nur daß der gegenwärtige Großwesir sein Recht nicht ausüben konnte.
    Großwesir war nämlich der bald neunzigjährige Eunuch Suleiman Pascha. Er führte das Siegel, das Ibrahim einst in seinen allmächtigen Händen gehalten hatte. Aber um den Sarg zu tragen, war Suleiman Pascha zu fett.
    Nur um ihm voranschreiten zu können, mußte er bereits von zwei Kämmerern gestützt werden. Und der eine von diesen beiden war Mohammed Sokolli, Roxelanes zuverlässiger Berichterstatter und ehemaliger Sklave des gehenkten Iskender Tschelebi. Gerade auf ihn stützte sich Suleiman Pascha.
    Trotzdem war der Großwesir weder dem Volk noch dem Heer ein Gespött. Denn dieser ebenso kleine wie dicke Mensch hatte Verdienste aufzuweisen, die denen Ibrahims nicht nachstanden.
    Schon bevor er Statthalter in Damaskus geworden war, hatte er sich kriegerisch und im Verwaltungsdienst ausgezeichnet. Syrien und später Ägypten, dessen Bewässerungsnetz ihm Großes verdankte, waren unter seiner Herrschaft aufgeblüht, und dann hatte Soliman den Greis mit der Führung des Seekriegs gegen Portugal betraut. Fast wie ein Spott war das gewesen, denn auch nicht ein einziges Schiff hatte für diesen Zweck bereitgestanden. Was unmöglich erschienen war - der Willensstärke dieses Fettklumpens war es gelungen. Gleichsam aus dem Nichts war auf dem Roten Meer eine Flotte erstanden, zu der alle Bestandteile überhaupt erst über die Landenge von Suez hatten herbeigeschafft werden müssen. Und mit dieser Flotte hatte Suleiman Pascha Jemen erobert und die portugiesische Seemacht, die berühmteste des Abendlandes, im Persischen Meerbusen und im Indischen Ozean geschlagen, wo er sie traf. Prachtliebend wie Ibrahim, teilte er dessen

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