Roxelane
als daß der Kapudan nicht dieselbe Niederlage hätte befürchten müssen.
Die Bey des Meeres, seine Unterführer, hatten sich, wenn auch ungern, seinem Willen bereits gebeugt, als ihm Oweis entgegengetreten war.
Oweis hatte im stillen damit gerechnet, daß Doria wohl keinen geringeren Respekt vor Barbarossa haben werde als der Rotbart vor dem Genueser und daß damit der Angreifer von beiden im Vorteil sein würde.
Grollend war der Pascha zu seinen Reis herumgefahren, und nur an sie hatte er seine Antwort gerichtet.
„So müssen wir denn, meine sehr tapferen und getreuen Reis, trotz allem die Schlacht wagen“, waren seine Worte gewesen. „Ich jedenfalls will lieber durchs Schwert als durch den Bericht dieses Halbmannes umkommen. Der Teufel soll ihn holen!“
„Mich und den Doria“, hatte Oweis gelächelt, und so war denn die Schlacht entbrannt, die Doria zwar nicht vernichtet, die aber den Sieg in Barbarossas Händen gelassen hatte.
Auch dieser Greis lieh seine Schulter, um Mohammed Soliman zu Grabe zu tragen, und bald sah die Mutter des Sohnes Sarg nicht mehr.
Angesichts der Endgültigkeit ihres Verlustes, der ihr so grausam vorgeführt wurde, spürte sie plötzlich einen körperlichen Schmerz. Wie zur Abwehr drückte sie beide Hände auf die Herzgegend und schloß die Augen.
Als sie dann wieder aufsah, begegneten ihre Blicke denen ihrer Tochter Mirmah. Dede Semid hatte die stürmische junge Sultana nicht zurückhalten können.
Zu sprechen freilich wagte auch Mirmah noch nicht, und so blieben die beiden Frauen vorerst stumm.
Dann dröhnte es noch einmal von den Schiffen und den Landbatterien.
Der Zug hatte den Begräbnisplatz erreicht, der Mufti die heilige Handlung vollzogen, und jetzt wurde der Sarg versenkt.
Nun erst entschloß sich Mirmah, das Schweigen zu brechen.
„Mutter ..sagte sie.
Roxelane aber preßte die Lippen aufeinander. Tränenlos stand sie da. Selbst vor der Tochter wollte sie ihren Schmerz nicht zeigen, nicht den körperlichen und nicht ihre Verzweiflung.
So steil und verschlossen zeigte sie sich, daß Mirmah, die zu trösten gekommen war, wieder unsicher wurde.
„Mutter ...“, bat sie, „du hast ja noch uns. ..“
Es war, als sehe Roxelane sie nicht und als habe sie nichts gehört. Sie setzte sich wie zur Audienz, und doch war sie mit ihrer Tochter allein.
„Mutter .. .“, erinnerte Mirmah schließlich noch einmal mit Bangen. Langsam nickte Roxelane.
„Eure Hoheit kamen unangemeldet“, sagte sie; „aber ich weiß, mein Kind“, fuhr sie sogleich begütigend fort, „du wolltest mir sagen, daß ich euch noch habe. Ja, mein Kind. Und ich will keinen von euch mehr verlieren. Auch keinen deiner Brüder. Keinen!“
Mirmah erschrak wie über eine Herausforderung Allahs.
„Sein Wille geschehe“, murmelte sie.
Doch Roxelane war nicht mehr schwach, jetzt, da sich ihr Wille gesammelt hatte.
„Keinen!“ wiederholte sie voll Trotz gegen alle Gewalten.
Es bohrte wohl noch in ihrem Leib, aber sie hatte ihr Ziel erkannt. „Selim ist der nächste“, sagte Mirmah nach einer Pause, „und Rustem meint auch . . .“
Eine herrische Handbewegung ihrer Mutter ließ sie schweigen. „Mustafa lebt.“
Das war alles, was Roxelane erwiderte.
Seit der Nachricht vom Tode des Bruders kreisten Mirmahs Gedanken genauso um Mustafa wie die der Mutter.
„Aber Selim .. .“, erwiderte sie dennoch.
„Dein Stiefbruder Mustafa ist deines Vaters Sohn wie dein Bruder Selim“, sagte Roxelane.
Und Mustafa sei der Ältere und Beliebtere, fügten Mirmahs Gedanken hinzu, obwohl es sie, die Willensstärke und Selbstbewußte, gerade zu Selim zog, dessen Tüchtigkeit sie schätzte. Mirmah liebte Tatsachenmenschen, die sie in ihrer Frömmigkeit nicht durch Phantasie belästigten, mochten diese Menschen sonst auch Fehler haben, welche sie wollten.
Doch ob Mirmah nun schwieg oder sprach - die Mutter hörte sie doch.
„Man muß Mustafa seine Vorteile abgewinnen“, schloß Roxelane nach einer Weile ihren Satz.
„Der Vater liebt dich“, kam es zögernd von Mirmah.
In den zwanzig Jahren ihres Lebens war es das erstemal, daß die junge Frau diese Selbstverständlichkeit zu berühren wagte. Dazu war bei Roxelanes Kindern trotz aller Liebe die Ehrfurcht zu groß. Auch jetzt überhörte Roxelane der Tochter Bemerkung.
„Ich muß leben“, sagte sie. „Ich muß deinen Vater überleben. Ich muß! Hörst du, Mirmah? Ich muß! Keine andere als ich darf einmal Walide sein!“
Das letzte stöhnte
Weitere Kostenlose Bücher