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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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aber erwies sich Roxelanes Kraft darin, daß sie selbst glaubte und fühlte, was sie sprach, und dennoch etwas ganz anderes wollte, etwas sehr Weltliches, von dem sie schwieg.
    Auch zu ihrer Tochter sagte sie nichts.
    „Du hast einen Imam?“ fragte Roxelane nur und wußte doch sehr genau um Mirmahs Seelsorger.
    Er war kein Geringerer als der Kadiasker, der Heeresrichter, von Rumili, der von den beiden Kadiaskern nach dem Mufti der höchste Geistliche war.
    Natürlich hatte Mirmah eine Eminenz haben müssen. Aber auch Roxelane billigte die Wahl, besonders weil sie dem gegenwärtigen Mufti nicht wie dem verstorbenen Saadi Effendi zutraute, Geheimstes erraten zu können und seine Antworten von politischen Erwägungen lenken zu lassen. Der Kadiasker von Rumili mochte dagegen der Mann dazu sein. Er war Ebusuud Effendi, der ehemalige Günstling der Walide, der noch als Muderris an Hafsa Chatuns Sarge ihr Testament und den Segen für Mohammed Soliman verlesen hatte.
    Gerade weil Roxelane das alles wußte, fragte sie nach Mirmahs Imam. Und dann gab sie der Tochter einen Auftrag.
    „Frage ihn, ob er auch mein Imam werden will“, sagte sie; „aber schicke nicht, sondern frage ihn selbst. Ich bezahle ihm zweimalhunderttausend Aspern jährlich.“
    „Das ist ja die Pension eines verabschiedeten Großwesirs!“ rief Mirmah, die ihr Geld zusammenhielt und damit auch erreichte, daß sie von den Brüdern immer angeborgt wurde.
    „Ist die Pension eines Großwesirs etwa zuviel für den hochwürdigen Mann, der meiner Seele den Weg weisen soll?“ fragte Roxelane. Darüber äußerte sich Mirmah nicht. Sie selbst gab weniger.
    „Und sage ihm auch, worunter ich leide“, fuhr Roxelane fort. „Ich will seine Antwort wissen, ehe ich ihn empfange.“
    Mirmah versprach alles, und sie war auch ernstlich entschlossen, jedes Erdenkliche zur Säuberung des mütterlichen Gewissens ins Werk zu setzen.
    Roxelane jedoch wußte sehr genau, was sie verlangte. Im voraus mußte sie die Antwort kennen. War das Fetwa, das sie begehrte, einmal abgegeben und gegen ihre Wünsche ausgefallen - dann hätte sie es nicht mehr umstoßen können.
    Es durfte keine Überraschungen geben.
    Roxelane kannte ihren Weg und war wieder sie selbst.
    Sie erhob sich. - Ihr Hof trat ein, um sie in den Saal der Audienzen zu führen, wo sie die Beileidsbezeigungen der Prinzessinnen und des Harems entgegenzunehmen hatte.

40
    Eine Tagereise abseits von Amasia lag das neue Lustschloß Sultan Mustafas, des Statthalters. Es zeichnete sich mehr durch seine Lage auf waldbedecktem Hang über dem Schwarzen Meer und durch Geschmack als durch eine Verschwendung aus, die dem zwar reichen, aber nicht unermeßlichen Einkommen des Prinzen kaum entsprochen hätte.
    Mustafa war selbst der Bauherr des Schlosses, und seiner Frau zu Ehren hatte er es ,Sababagdsche‘, Gärten der Saba, genannt. Und jetzt, da es nach einer Bauzeit von zwei Jahren fertig war, hatte ein so erlauchter Besuch wie der Seiner kaiserlichen Hoheit des Prinzen Dschihangir die Einweihung verherrlicht.
    Nur in Begleitung seines Jüngsten, Sultan Bajesids, war Soliman dem Sarge seines geliebtesten Sohnes gefolgt. Die drei andern Prinzen waren nicht in Konstantinopel gewesen.
    Mustafa hatte die Hauptstadt nun sogar schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Immer wieder war ihm die Erlaubnis, sich seinem kaiserlichen Vater nahen zu dürfen, verweigert worden. Statt dessen war Solimans Mißtrauen so weit gegangen, daß sich während des letzten ungarischen Feldzuges der Großwesir Suleiman Pascha mit einem starken Heer in Kleinasien hatte aufhalten müssen. Jeder etwaige Versuch Mustafas, sich in Abwesenheit des Kaisers der Herrschaft zu bemächtigen, hatte damit unmöglich gemacht werden sollen. Aber auch Selim war angesichts der Entfernung Konias von Konstantinopel nicht zum Begräbnis erschienen. Und Dschihangir, der bereits auf dem Rückweg in Brussa gewesen war, hatte den Befehl bekommen, seine Reise zum Stiefbruder fortzusetzen.
    Und jetzt waren die Brüder zu einer Aussprache unter vier Augen beisammen, während die Mitglieder ihrer nächsten Umgebung sich in den Nebengemächern aufhielten.
    Leicht und allgemein war die Unterhaltung der Höflinge, so verschieden ihr Rang auch sein mochte.
    So war zum Beispiel Dede Semids ältester Sohn, Seheb Pascha, ein ganz großer Mann, und dennoch gab es einen unter den andern Herren, auf den nicht einmal die beiden Prinzen irgendwelchen Eindruck machten, weil er sich selbst

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