Roxelane
sie das Zeremonial gut genug, daß Dschihangir den Bruder durch die Vorstellung einer verschämten Mirmah zum Lachen bringen konnte. In diesem herkömmlichen Zustand hatte der Kislar Aga nämlich die Braut in die Arme des Bräutigams zu führen. Und als Dschihangir dann fortfuhr, alle weiteren Vorschriften auf die Schwester und ihren erwerbstüchtigen Mann abzuwandeln, riß das Gelächter nicht ab.
Zuerst hatte eine Prinzessin den Bräutigam sehr ungnädig zu empfangen und ihn keines Blickes zu würdigen, was sie nach ihrem Belieben fortsetzen konnte, bis sie sich plötzlich mit fürstlichem Unwillen erhob und in ihre inneren Gemächer zurückzog.
Nach einer Weile, während der sie einen Ehrensitz einnahm, mußte der staubgeborene Bräutigam ihr folgen, sich der Unnahbaren zu
Füßen werfen und in demütigem Schweigen ein günstiges Wort der Gebieterin erwarten, die im Schmuck ihrer sieben perlenumwundenen Flechten hochmütig dasaß.
„Bring mir Wasser!“ war alles, was sie dann befahl.
Kniend reichte er es ihr, und kaum hatte sie davon gekostet, so wurden auch schon zwei Schüsseln auf einen niedrigen Tisch inmitten des Zimmers gesetzt.
Der Bräutigam flehte, sie möge davon kosten, worauf sie ihn durch eine verletzende Ablehnung in die vorgeschriebene Verzweiflung trieb. Untröstlich, wie er zu sein hatte, rief er dann die Eunuchen und ließ zur Sänftigung des herben Gemüts seiner erhabenen Braut eine Woge von kostbaren Geschenken zu ihren Füßen ausschütten.
Diesem nachdrücklichen Werben konnte die Unerbittliche dann allerdings nicht mehr gänzlich widerstehen, und so geruhte sie zuletzt, ihrem Bräutigam zu erlauben, ihr unter die Arme zu greifen und sie zu Tisch zu führen.
Nachdem er ihr ein Stück gebratene Taube gereicht, sie ihm eine kandierte Frucht in den Mund geschoben hatte, wurde die Tafel auch schon wieder aufgehoben. Und nun folgte eine Unterhaltung, von der die Vorschrift jede Vertraulichkeit ausschloß und die demnach überaus langweilig war.
Meist sprachen die beiden Teilnehmer nur Sätze, die dazu geeignete Literaten vorher aufgesetzt hatten.
Glücklicherweise wurde diese Übung dann auch bald unterbrochen, weil es für die Braut inzwischen Zeit geworden war, sich für das nachfolgende Familienfest umkleiden zu lassen.
Schon vorher hatte sich der Padischah in den Audienzsaal begeben, um die Glückwünsche der Wesire und Großen entgegenzunehmen. Im Harem selbst fand dann im Beisein der ganzen kaiserlichen Familie das Fest mit Musik, Tanz und durchaus eindeutigen Schattenspielen statt, bis die Sultanin Braut schließlich aufbrach, um im Hause des Bräutigams den dritten Akt zu bewerkstelligen.
Sie begann damit, daß sie zu Bett ging, wovon ihre Hofmeisterin und ihr Erster Eunuch dem Bräutigam die erfreuende Kunde zu bringen hatten.
Nunmehr mußte sich der Schwergeprüfte in ihr Schlafgemach stehlen und sich dort in aller Stille entkleiden.
So vorbereitet nahte er sich auf den Knien den Füßen der Braut, berührte sanft ihre Zehen und küßte sie, worauf es ihm, wenn er keiner weiteren Abwehr begegnete, gestattet war, sich von den Füßen höher hinaufzuarbeiten und sich so allmählich in den Besitz der Prinzessin zu setzen, die ihm höchst kaiserliche Huld beschieden hatte. Zum Ausgleich dieser allzu großen Huld wurde dem Bräutigam die Hochzeit auch so wenig leicht gemacht, und erst der dritte Tag brachte ihm als Epilog einen kleinen Lichtblick.
Denn an diesem Tag sandte der Padischah seinem Schwiegersohn oder Schwager eine eiserne Keule mit der Erlaubnis, die Braut damit totzuschlagen, falls sie ihm noch nicht die Rechte eines Gatten eingeräumt haben sollte.
Doch auch diese schöne Geste war nicht sehr ernst gemeint.
Wenigstens hatte kein Geschichtsschreiber jemals nur das geringste darüber berichten können, daß eine osmanische Prinzessin diesen Märtyrertod erlitten habe.
Beim Fest mit den Schattenspielen war Dschihangir selbst zugegen gewesen. Alles andere ließ er nach dem erstehen, was die geneckte Schwester ihm verraten und was er sich selbst hinzugedichtet hatte. Für Mustafa waren diese Hochzeitszeremonien einer Prinzessin etwas Selbstverständliches gewesen, das durch die Tradition geadelt worden war. Durch nichts hatte er sich bis jetzt veranlaßt gefühlt, über sie auch nur nachzudenken.
Erst Dschihangir hob sie dadurch, daß er sie absichtlich völlig ernst nahm, auch für den Bruder in die Sphäre der Heiterkeit.
Doch plötzlich faßte sich der
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