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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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junger Mann namens Ali eine Bemerkung bei.
    Ali war einer der Literaten, die an Mustafas Hof wohlgelitten waren. Er sammelte Anekdoten. Auch er trug sich mit dem Plan einer osmanischen Geschichte, wie sie Lutfi Pascha gerade schrieb.
    „Euer Durchlaucht“, lächelte Ali dem Herrn aus Konstantinopel zu, „sind ein würdiger Nachkomme Dero erlauchten Ahnes Chalid Ben Welid, der nach den Lehren der Geschichte unter Osmans Kalifat dem Kämmerer zwei Goldstücke gab, um vor seinem Gegner Zutritt zum Kalifen zu erhalten. Es war das erstemal, daß sich eine Bestechung im Islam ereignete, und so ist es gleichsam ein Familientalent, wenn Euer Durchlaucht so vollendet beherrschen, was Ihr großer Vorfahr überhaupt erst in Gang setzen mußte.“
    Schemsi nickte ernsthaft.
    „Du weißt gar vieles, Ali“, meinte er. „Dennoch sind deine Worte zu tadeln. Man darf mich mit meinem Ahnherrn nicht vergleichen. Er gab Gold und bestach. Mir aber widerstrebt eine solche Handlung aufs tiefste, ich beschränke mich grundsätzlich nur auf das Nehmen.“
    Jetzt lachte alles ohne Unterschied, und auch der Janitschar fing allmählich an, zu begreifen, daß ihm zum richtigen Hofmann doch wohl noch manches fehle.
    Als die Brüder endlich allein gewesen waren, hatte Mustafa seine Arme geöffnet und Dschihangir sich hineingeworfen, um von ganzem Herzen den Kuß zu erneuern, den sich beide anläßlich ihrer Schaustellung vor der Menge hatten geben müssen.
    Mustafa war jetzt fast in dem Alter, in dem Soliman einst den Thron bestiegen hatte, und sein Bruder Dschihangir, der nun als ein Jüngling mit einem feinen und klugen Gesicht vor ihm stand, war sieben Jahre alt gewesen, als sie sich das letztemal gesehen hatten. Dschihangir war immer voll von Bewunderung für Mustafa gewesen und bewunderte ihn auch jetzt ohne den Neid der Krüppel, der ihm wegen seines doppelten Höckers hätte verziehen werden müssen. Es traf sich gut, daß gerade er, der Ungestaltete, die heitere Natur seiner Mutter geerbt hatte; denn des Vaters Schwermut zu ertragen, wäre sein hinfälliger Körper wohl nicht imstande gewesen.
    Nur bei seinem ersten Besuch - und den ersten hatte er pflichtschuldigst Saffieje Sultana zu machen gehabt - war ein unheimliches Gefühl über ihn gekommen. Er, der geliebt wurde, weil er allen das Beste zutraute, konnte sich dies Gefühl allerdings nicht erklären.
    Wie hätte er vermocht, sich vorzustellen, daß Saffieje nur noch von der Inbrunst ihres Hasses lebte?
    Und nun hatte der Sohn der Verhaßten vor ihr gestanden, ein Krüppel nur, aber ein Jüngling, dessen Geist man rühmte und dessen schöne graue Augen auch sie beinahe verwirrt hätten.
    Nicht einmal dieser Krüppel wurde Roxelane von Saffieje gegönnt, nichts Lebendiges.
    Und so hatte Dschihangir wohl schon erschauern können, weil Saffiejes Gedanken, während er ihr die Hand küßte und beider Lippen freundliche Worte sprachen, sich in glühender Neugier einzig und allein mit der Frage beschäftigt hatten, wie sich die seidene Schnur wohl am geschicktesten um des Höckerigen Hals legen und wie sich sein blasses Gesicht wohl im Gewalttod verzerren würde. — Doch jetzt war der Alpdruck vorüber.
    Zehn Jahre hatte Mustafa die Hauptstadt nicht mehr gesehen, den Vater nicht, nicht Roxelane und keins ihrer Kinder, mit denen er doch zu einem guten Teil aufgewachsen war.
    Es gab so vieles zu fragen, zu erzählen, Lücken zu schließen, die der Fremden Berichte hatten offenlassen müssen, so daß die Brüder mit Fragen und Antworten kein Ende finden konnten.
    Gelacht wurde auch.
    Dschihangir erzählte von Mirmah.
    Beide waren sie der Schwester geneigt, Mustafa sowohl wie Dschihangir, und der letzte um so mehr, als er ihr manches in seiner Erziehung verdankte, was ihm nur ein so herrscherhaftes junges Geschöpf hatte beibringen können. Ein wenig war die Schwester ihm zugleich immer eine Art Vorgesetzte gewesen, auf die er sogar dann noch liebevoll stolz war, wenn er sie heiter bespöttelte. Denn seine Blicke waren überhaupt gerade darum für seine eigenen und der anderen belachenswerten Seiten so geschärft, weil er infolge seiner körperlichen Beschaffenheit dem Leben nicht so sehr als Handelnder wie als Zuschauer gegenüberstand.
    Hierzu kam dann noch eine schöpferische Begabung, mit Stimme und Geste nicht nur seine Höcker vergessen zu lassen, sondern den Raum auch jederzeit mit Gestalten zu füllen, mit Männern und Frauen, großen Paschen, kernigen Militärs, bedächtigen

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