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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Jüngere.
    Und ob es nicht zu tadeln sei, fragte er, sich kurz nach dem Tode des Bruders einer solchen Belustigung hinzugeben? Doch Mustafa könne versichert sein, fuhr Dschihangir fort, daß er den Verstorbenen von Herzen betrauere.
    Mustafa glaubte ihm auch dann, als Dschihangir erklärte, daß er nicht gekommen sei, zu entzweien, sondern zu versöhnen, und daß
    Mustafa von ihm nichts zu befürchten habe. Ihm, Dschihangir, gelte Mustafa als der ältere Bruder auch als künftiger Kaiser und Herr. Damit drückte der Buckel die Lippen ehrfürchtig auf Mustafas Hand, in die er auf diese Weise voll innigem Vertrauen sein und seiner Brüder Leben legte.
    Dschihangir glaubte an Mustafa, und er glaubte an alles, was er selbst gesagt hatte.
    Er war jünger als der Stiefbruder, und selbst der hatte noch nicht begriffen, daß kaiserliche Prinzen oft nur zur Verzierung dienen und daß die wirklichen Träger einer Mission zuweilen in ihrer näheren oder weiteren Umgebung zu suchen seien.
    Immerhin konnte sich Mustafa auf das Regiment Janitscharen verlassen, das man ihm mitgegeben hatte und das an ihm hing. Es war der Kern seiner Truppen, und es war ein guter Kern.
    „Du mußt meinen Sohn Osman sehen“, sagte Mustafa, „willst du?“ Dschihangir wollte.
    Denn da er Mustafa liebte - wie hätte er dessen Sohn nicht sehen wollen? Und Mustafa wieder war dem Bruder gewogen.
    Nur küßte er ihn nicht ein drittes Mal.
    Vielleicht halten des Bruders Höcker doch etwas Abstoßendes für ihn. Vielleicht war es auch nur der unbehagliche Gedanke, ob Dschihangir auch wirklich genügend entstellt sei, um ihn bei der Thronbesteigung als einzigen Bruder vor der Schnur bewahren zu können? Vielleicht war es beides.
    41
    Mirmah krönte ihre rastlosen Bemühungen damit, daß sie beim Kaiser um eine Audienz nachsuchte. Sie hätte ihren Vater auch auf eine weniger umständliche Weise sehen können. Aber der Stolz auf ihren eigenen Anteil am Geschehen verlangte nach Unterstreichung dessen, was sie vorzutragen gewillt war.
    Denn wichtig mußte etwas sein, das des Kaisers Besorgnis erregt hatte.
    Durch alle Poren des Harems sickerte nämlich schon die Nachricht, daß Roxelane Sultana sich nach dem Tode ihres Sohnes völlig verändert habe und daß eine Schwermut sie jetzt erfülle, die zu zerstreuen niemand ungeeigneter sei als der selbst melancholische Padischah.
    Das Gerücht sprach die reine Wahrheit.
    Gütig und sanft war Roxelane; aber sie, die Fröhliche, war zugleich auch voll einer Trauer, die sie zeigte, und voll von Sorgen, die sie verbarg.
    Dabei mußte ihre Macht noch immer gleich groß sein; denn als Suleiman Pascha, der alte Eunuch, als Großwesir verabschiedet worden war, hatte ihr Schwiegersohn Rustem, Mirmahs Gatte, das Siegel bekommen.
    Und nun fuhr Mirmah zu Soliman.
    Der Pomp war groß. Aber auch das Neue Serail hatte alles zu Ehren der Kaisertochter aufgeboten.
    Tausend Bostandschi standen Spalier, hohe Beamte des Steigbügels hielten den Zaum ihrer Kutschpferde, die Herren der Achsel harrten am Schlag, und der Kapu Aga hob sie in eigener Person aus dem Wagen.
    Im Saal der Audienzen jedoch, zu dem sie unter großem Vortritt einging, kam ihr der Kaiser zehn Schritte entgegen, um sie aufzuheben, ehe sie knien konnte.
    Es war Mirmahs erster öffentlicher Empfang, und sie war zufrieden, wie sie jetzt dem Vater gegenüber auf einem Polster saß, während alle anderen stehen mußten.
    Die vorgeschriebenen Sätze fielen, die eine Audienz einzuleiten hatten, und schließlich war es soweit, daß Mirmah ihr Begehren Vorbringen konnte.
    Von ihrer erhabenen Mutter sprach sie, deren Kummer in größeren Tiefen zu suchen sei als selbst im Verlust eines geliebten Sohnes. Mirmah sprach von Roxelanes geistlichen Bedenken, und Soliman hörte ihr aufmerksam zu.
    Seit dem Tode des Sohnes und Roxelanes Veränderung fühlte er sich überhaupt immer mehr zur Frömmigkeit der Tochter hingezogen, und daß nun auch Roxelane die gleiche Neigung zu zeigen schien, gereichte ihm zur Genugtuung.
    Roxelanes Gedanke selbst war ihm freilich neu.
    Alle nannten sich Sklaven des Padischahs, und an die besonderen rechtlichen Beziehungen einer kaiserlichen Bettgenossin zu ihrem Herrn dachte kaum jemand noch. Große Lehensträgerinnen waren diese Sultaninnen und Besitzerinnen von Schätzen, die zu verschenken und zu vererben sie kein Mensch hinderte.
    Doch Ebusuuds Fetwa, das Mirmah dem Vater in einem perlengestickten Beutel reichen ließ, erklärte den Sklaven für

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