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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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selbst seinen eigenen Vater entthront hatte, war auch Solimans grimmigster Feind gewesen. Mochte also der kleine Mustafa der einzige bleiben! Besser war es, als wenn er dereinst erst durch Brüdermord die Herrschaft erlangen würde.
    Unwillkürlich beschleunigte Soliman seine Schritte auf dem farbigen Kies, seine Züge entspannten sich und wurden, ohne den Ernst zu verlieren, menschlich.
    Es trieb ihn zu seinem Sohne und Saffieje.
    Überall standen Pferde für den Padischah.
    Ein kurzer Ritt brachte Soliman zu den eleganten Bogengängen am Meer, wo ein Konzert von Lautensängerinnen angesagt war.
    Heiter eröffneten die Arkaden einen Ausblick zum Bosporus, und zugleich umschlossen sie klösterlich einen inneren Hof mit Fontänen, wie denn dieser kaiserliche Harem so gut wie ein Kloster war, das die Damen mit Ausnahme von wenigen zur Jungfräulichkeit verpflichtete.
    Alleen von Zypressen lösten die Architektur auf, und Beete von persischen Rosen, von Tulpen und Ranunkeln schufen farbig bewegte Übergänge zum Park.
    Soliman liebte es nicht, sich wie bei einer Truppenrevue gedrängten Massen von Frauen gegenüberzusehen, und so sorgten die Hofmeisterinnen dafür, daß die Wünsche des Herrn befolgt wurden. Trotzdem also alles bei seiner Ankunft fieberte, gab sich die ganze Damenwelt mit größter Einfachheit, und selbst der geringste Anschein eines Aufhebens wurde vermieden.
    Auch die Sängerinnen unterbrachen sich nicht. Sie sangen, von der Hofkapelle der Eunuchen begleitet, ein Scherzlied des Persers Hafis vom Wein.
    Soliman wunderte sich belustigt, auf welche Weise die Mädchen wohl dahinter gekommen seien, daß er dem verbotenen Genuß des Weins ebensowenig abhold war wie sein Freund Ibrahim, und daß es bei seinen Zusammenkünften mit ihm nicht am Cyprer zu fehlen pflegte? Aber dann verfolgte er den Gedanken nicht weiter. Für das Serail blieb eben nichts ein Geheimnis.
    Eine Gruppe von Guedlicki kreuzte seinen Weg mit ihrer ,Oda‘, wie man scherzweise die Gouvernante von je acht jungen Mädchen nannte, die sie zu beaufsichtigen hatte und mit denen sie auch den Schlafsaal teilte.
    Alle hatten die Fingernägel mit Henna rot poliert und mit Kohol Wimpern und Brauen nachgezogen. Sorgsam waren auch die Farben ihrer langen Hosen gewählt, die der Hemden und der ärmellosen halblangen Mäntel, und auf dem Kopf trugen die Mädchen flache Käppchen mit herabhängenden Quasten. Aus Seide waren die Gewänder oder aus Geweben von Mossul, die Schals aber kamen aus Kaschmir.
    Bis in den Boden versanken die Damen, und Soliman grüßte. Hier band ihn kein Zeremonial, und stets war er höflich gegen Frauen, was ihm mehr als nur ein Gebot des Korans war und ihm aus dem Herzen kam.
    Aber er sprach mit niemandem, und der Kiajai Harem, der Obersthofmeisterin, die ihm aus dem ersten Bogengang entgegeneilte, gab er nur auf, ihn bei den kaiserlichen Prinzessinnen, seinen Schwestern und Tanten, die zu Besuch gekommen waren, zu entschuldigen und den Hoheiten seine Grüße zu übermitteln.
    Er kam von Gräbern und hatte kein Verlangen nach Unterhaltung. Jetzt wurde ein Liebeslied gesungen, und je näher er der Musik kam, um so zahlreicher wurden die Frauen, die ihr zu lauschen schienen. Denn wenn es auch verboten war, dem Herrn ungerufen zu nahen, so war es doch schwer, den Blicken zu verwehren, ihn zu bedrängen.
    Soliman war Padischah, und wenn an seiner Stelle der gichtbrüchige Selim gekommen wäre, so hätten die Blicke auch den bedrängt. Ja, viele von den Damen hatten noch den alternden, grimmigen Vater so an sich vorüberschreiten sehen wie jetzt den Sohn, und selbst damals hatte ihr Drängen neben dem Herrscher auch dem Mann gegolten, dem einzigen, der ihnen erreichbar war. Nun freilich galt es in weit höherem Maße dem gutaussehenden, interessanten jungen Mann, dem Erfolgreichen, dem Sieger.
    Lebenshungrige junge Nonnen blickten so mit dem Gebet um selige Erlösung nach ihm, der ihr Gott war.
    Viele von ihnen taten es ohne Hoffnung, alle mit Sehnsucht. Wie jedoch Selbstverständliches kaum noch empfunden wird, so sah Soliman wohl die Augen, doch eben nur die Augen, nicht mehr. Ungewöhnliches mußte geschehen, wenn er es bemerken sollte. Aber das Ungewöhnliche geschah.
    Als er voranschritt, huschte eine Gestalt wie erschreckt hinter einen Pfeiler, offenbar um sich zu verbergen.
    Die diensttuende Hofmeisterin fror vor Entsetzen, als sie das bemerkte; denn der Kaiser blieb stehen.
    Und dann sah er: Die Arme über die Brust

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