Roxelane
gekreuzt und in die Knie gesunken, verharrte vor ihm ein Mädchen.
Eine von den jüngeren Damen mußte es sein; denn dem Anschein nach zählte sie kaum achtzehn Jahre - eher weniger.
Das Alter allein wollte allerdings nichts an einem Ort besagen, wo Mädchen aus Arabien und Indien, weißhäutige Perserinnen und die schönen Frauen der kaukasischen Völker, wo Mädchen aus Spanien, Italien, Ungarn, Slavonien und Kärnten mit allem zusammentrafen, was das Weltreich vom Indischen Ozean bis zum Atlantik, von der Donau bis zur Sahara an Schönheit hervorbrachte.
In Schlachten waren diese Mädchen gewonnen, von fremden Fürsten geschenkt, von Korsaren geraubt, von den Paschen pflichtschuldigst übersandt worden. Alter besagte hier nichts.
In der Familie des Propheten selbst hatte es dafür bereits vor achthundert und einigen Jahren ein Beispiel gegeben: die kleine Aischa war zehn Jahre alt gewesen, als Mohammed sie zur Frau genommen und zu der berühmten streitbaren ,Mutter der Gläubigen' gemacht hatte.
Doch das Mädchen vor Soliman war unverkennbar nördlicher Herkunft.
Gar nicht hübsch war das Mädchen.
Die Backenknochen waren überbetont, der rote Mund war keineswegs klein, die Zähne waren wohl weiß, aber auch groß und kräftig, mehr gefährliches Gebiß als Zähne, und die Augen spielten vom Blaugrün ins Grüne, in ein Grün freilich, dem lange dunkle Wimpern einen sternigen Glanz verliehen.
Nur die Haare konnten vielleicht erklären, was sonst kaum zu verstehen war. Denn groß war die Zahl der Mädchen, die alljährlich an den Hof geschickt wurden, aber nur wenige gelangten in den kaiserlichen Harem, so wählerisch war man, und ohne des Mädchens Haare wäre ihr Hiersein völlig unverständlich gewesen. Dicht quollen sie ihr in zwei kräftigen Zöpfen aus der gestickten Kappe bis an die Knie.
Doch selbst diese seidigen Haare rechtfertigten im Grunde nichts: denn zum Unglück hatten sie die Farbe der Hölle. Sie waren rot. Oder vielmehr wie Kupfer waren sie, mit einem schwelenden Goldglanz darüber.
Wo hatte Soliman diese Haare und dieses Gesicht schon gesehen? Denn daß er es nicht zum erstenmal sah, das wußte er.
Und dann kam ihm die Herrschertugend eines guten Gedächtnisses für Gesichter zu Hilfe.
Jetzt wußte er es!
Er kannte sogar ihren Namen.
Das Mädchen hieß Roxelane.
5
Das Mädchen selbst hatte sich allerdings Rosska genannt; was den empfindlichen Ohren der schönen Mutter Solimans jedoch zu anstößig gewesen war, als daß sie den Namen nicht sogleich in die gebildeteren Laute „Roxelane“ verwandelt hätte.
Soliman erinnerte sich jetzt nur zu genau: Es handelte sich hier um jenes Tatarenmädchen, jene Ursache einer unerfreulichen Verwicklung.
Dabei war Soliman der Rosska nur ein einziges Mal begegnet, und zwar eben bei seiner Mutter. Wie er sie nun aber zum zweitenmal sah, war es ihm geradezu unbegreiflich, daß er ihr jemals eine Anteilnahme habe bekunden können.
Dennoch hatte er es unleugbar getan. Ja, er war sogar so weit gegangen, sich Rosska von der Mutter als Geschenk ausbitten zu lassen!
Frau Hafsa Chatun war jedoch ebenso schönheitsdurstig wie schön, und so war ihr die Aussicht keineswegs gleichgültig gewesen, etwaige Kinder Rosskas als Enkel umarmen zu sollen. Daher hatte sie durch ihren Lala, ihren Oberhofmeister, dem Kislar Aga ihres Sohnes eröffnen lassen, daß die Guedlicki Roxelane keine würdige Gabe für Seine kaiserliche Majestät sei, und daß sich die Hoheit der Sultana Walide daher erlaube, Höchstihrem erhabenen Sohn eine Sklavin aus bewährtem georgischem Stamm zu übersenden, der schon seit langem die Ehre gehabt habe, den kaiserlichen Harem zu bedienen.
Die hohe Dame hatte es gut gemeint und den Sohn auf eine so sänftliche Art von seiner vorübergehenden Sinnesverwirrung zu heilen versucht. Tatsächlich sollte denn auch das Mädchen, das der mütterlichen Botschaft beigegeben worden war, von außergewöhnlicher Schönheit gewesen sein - nur hatte sich Soliman zu einer Besichtigung nicht entschließen können. In einer jähen Aufwallung hatte er durch die Übersendung einer andern als der erbetenen Sklavin seinen kaiserlichen Willen mißachtet geglaubt und darum allen Bedenklichkeiten seines Kislars zum Trotz etwas so Unerhörtes begangen, wie es das war, seine Mutter ein zweites Mal um etwas zu bitten, was sie ihm schon einmal verweigert hatte. Diese zweite Bitte war dafür aber auch einem Befehl gleichzuachten gewesen, dem sich selbst Sultana
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