Roxelane
Erleuchtung.
„Was kann ich tun?“ fragte er.
„Die Janitscharen sind für dich“, antwortete Saffieje.
„Soll ich meinem Kaiser und Vater untreu werden?!“ begehrte er auf. Doch Saffieje erhob sich voll Zorn.
„Statt mit Redensarten um dich zu werfen, solltest du lieber dem Reich die Treue halten, du solltest dir selbst die Treue halten und .. . mir“, schloß sie leise, und dabei stand sie dicht neben ihm. „Aber das kannst du nicht. - Weil du mit dir selbst uneins bist, kannst du es nicht.“
„Mutter, ich bitte Sie ...“
„Die andere natürlich“, höhnte sie weiter, „die Heitere, ewig Junge und deren Kinder - das war deine Welt, die du nicht vergessen kannst. Aber ich ...“
Sie brach ab und entzog ihm ihr Gesicht.
„Ich bitte Sie, meine Mutter, habe ich es jemals an Ehrfurcht gegen Sie fehlen lassen?“
„Ehrfurcht...?“ Saffieje nahm das Wort mit Bitterkeit auf. „An Worten hast du es nicht fehlen lassen. Aber was sind Worte? Alles, was ich sehe, ist, daß sie ebenso wie deinen Vater auch dich mir genommen hat!“
Mustafa kannte diese Vorwürfe, die einer unbezähmbaren Eifersucht entsprangen und doch - nicht ganz ohne jede Berechtigung waren. Saffieje sprach immer noch.
„Was soll jetzt nur wieder dein Herumgirren mit dem blöden Krüppel von einem Bankert, dem ...“
Doch diese Schimpfworte gaben Mustafa wieder festen Grund. Was darauf zu sagen war, das wußte er.
„Ich bitte Eure Hoheit inständigst“, sagte er also, „nicht in diesen Ausdrücken von einem Mitglied der kaiserlichen Familie ..."
Aber trotz so vieler Jahre Haremsleben waren in Saffieje die Vorurteile ihres Stammes in bezug auf die Einehe noch immer lebendig. Sie fühlte sich als Solimans einzige, rechtmäßige Frau, und immer nur ihren Mustafa empfand sie als ehelich.
„Ach was“, unterbrach sie daher ihren Sohn, „ein Weib wie diese Tatarin wirft Bankerte und keine Prinzen. Du bist ein Prinz, du bist der Schahzadey. Vergiß das nie!“ „Nein, aber . .."
„Meide dieses Volk“, fuhr sie fort, „das sich deine Brüder nennt und das sein Leben einzig und allein einer Verirrung deines Vaters verdankt. Hüte dein Herz! Es könnte dich schwach machen, wenn einmal zu tun ist, was geschehen muß. Oder hast du die Absicht, diesen Dschihangir bei deiner Thronbesteigung zu verschonen?!“ Drohend stand Saffieje da.
„Er ist ein Krüppel“, wich Mustafa aus. „Er könnte nie zum Thron gelangen. Er ist ungefährlich . ..“
„Nichts ist ungefährlich, was von diesem Weibe kommt!“ schrie Saffieje. „Nichts darf sie behalten! Keinen einzigen ihrer Söhne! Nichts, was lebt. Auch der Krüppel muß sterben.“
„Es wäre grausam, liebe Mutter“, versuchte er sie zu beschwichtigen. Doch sie hörte ihn nicht.
„Du sollst grausam sein! War man gegen mich nicht grausam? Auch der Krüppel muß sterben. Stähle dich an seinem Tod. Du könntest sonst womöglich noch die beiden andern verschonen wollen, diesen Säufer, den Selim, diesen Bajesid ..."
Nun wäre Mustafa aus seiner Natur heraus wohl zur Schonung geneigt gewesen. Hier aber hatten Herkommen und Kanun an seiner Stelle entschieden, und Mustafa war nicht der Mann, gegen solche zwingenden Gewalten in eigener Verantwortlichkeit zu handeln. Was seine Brüder Selim und Bajesid anlangte, so fühlte er sich ganz sicher.
„An Selim und Bajesid habe ich meine Pflicht zu erfüllen!“ rief er. „Ist das ein Wort?“
„Es ist ein Wort.“
„Beschwörst du es?“
„Ich brauche es nicht zu beschwören. Sie kennen den Kanun, meine Mutter. Es muß ja sein“, seufzte er. „Das Gesetz verlangt es und die Ruhe des Reichs. Wie könnte ich anders?“
In Saffiejes Lächeln lag leichte Verachtung.
„Vielleicht könnte man schon“, sagte sie. „Aber du kannst nicht. Und das ist in diesem Fall gut. Doch weil es so ist, muß ich auch für dich handeln. Denn noch bist du nicht Schahzadey. Du hockst mit den Janitscharen, mit Schemsi und mit Dschihangir, dem Narren, zusammen und läßt dir von ihnen einreden, du seist Thronfolger. Inzwischen kann dann in Stambul geschehen, was will. Nein! Dreiundzwanzig Jahre habe ich die Verbannung ertragen. Jetzt jedoch steht diese Tatarin genau an derselben Stelle wie einst ich. Jetzt ist es Zeit. Jetzt will ich hin!“
Mustafa erschrak.
„Bei Allah! Wohin, meine Mutter?“
„Nach Stambul, Sultan Mustafa Khan“, erwiderte Saffieje stolz.
„Ja, aber. .. was wollen Sie da?“
Er war erschüttert.
„Ich werde eine
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