Roxelane
Audienz beim Kaiser verlangen“, sagte sie.
„Und wenn man sie Ihnen abschlägt?“
„Man wird nicht.“
„Und - wenn man sie Ihnen gewährt?“
Er sah seine Mutter an. Sie war früh gealtert.
Fettpolster hatten ihr Kinn verwischt. Säcke und Runzeln hatten sich um ihre Augen gelegt...
„Jetzt liegt das Tatarenweib am Boden“, triumphierte Saffieje, „jetzt..."
Mustafa dachte an seine Großmutter Hafsa Chatun, die noch in ihrem Alter schön war, dachte an die sichere Niederlage der Mutter, die nicht alt zu werden verstand, und Scham und Mitleid ergriffen ihn. „In aller Ehrfurcht muß ich Eurer Hoheit widerraten“, sagte er.
„Ich reise“, antwortete sie. „Wenn man dich gewähren ließe, würdest du nie nach Magnesia zurückkehren. Und du mußt zurück. Du mußt von Soliman als Schahzadey anerkannt werden. Du bist mein Sohn. Ich bin die Chasseki. Dein Vater ist zur Besinnung gekommen, und ich . . .“
„Mutter . . .“, bat Mustafa die Frau, die dreiundzwanzig Jahre ihres Lebens nur auf den einen Tag gewartet hatte, der für sie längst vorbei war.
Saffieje blickte ihn an und las alles in seinen Augen.
Sie verzog ihr Gesicht wie zu einem Kinderweinen und mußte sich setzen.
„Ich werde tun, was Sie mir befehlen“, versprach er leise, „nur lassen Sie das Vergangene. Bitte!“
Eine trauererfüllte Pause verstrich.
„Dein Vater wird mein Gesicht nicht mehr sehen“, sagte sie dann, um jedoch sogleich wieder fortzufahren. „Dennoch werde ich reisen! Und du wirst tun, wie du es mir versprochen hast. Alles, was ich befehle, wirst du tun. Dschihangir wird nicht geschont!“
Es dauerte lange, bis Mustafa nachgab.
Aber er gab nach.
„Und das Reden und Flüstern mit den Janitscharen hört auf!“ forderte Saffieje als zweites. „Das führt zu nichts. Ganz müssen sie sich dir verbinden! Auf Gedeih und Verderb! Besonders die Regimenter in Stambul!“
„Schwer... und gefährlich“, meinte Mustafa.
„Alles, was zum Ziel führt, -ist schwer und gefährlich“, sagte Saffieje. „Es handelt sich nur darum, ob du einen Unterhändler weißt, der Verstand hat und dem du trauen kannst?“
„Vielleicht... Schemsi?“ fragte Mustafa. „Er geht wieder nach Stambul mit Dschihangir, und er bezeugte mir auf seine Art immer Anhänglichkeit, während er für Roxelane Sultana nichts als Spöttereien hatte.“
„Er wird sie auch für dich haben, wenn du nicht dabei bist“, erklärte Saffieje. „Aber er spricht immer die Wahrheit, und darum nimmt niemand ihn ernst. Das ist schon sehr viel. Stell ihm also in Aussicht, was er nur will. Und er soll den Truppen versprechen, was sie wollen. .. für den Fall nämlich“, schloß sie gedehnt, „daß dein Vater sich ins Serail nach Demotika zurückziehen müßte . . .“
Mustafa ergriff hastig ihre Hand.
„Absetzen?!“ rief er. „Den Kaiser absetzen?!“
„Nur wenn meine Reise keinen Erfolg haben sollte“, lächelte Saffieje, um dann wieder ernst zu werden. „Du mußt dich sichern, mein Sohn“, fuhr sie fort. „Und wie sicherst du dir diesen Schemsi?“ „Schemsi braucht immer Geld“, sagte Mustafa.
43
Soliman war dem Mufti die vorgeschriebenen sieben Schritte entgegengegangen, und er hatte auch die beiden Kadiaskere begrüßt, die den Mufti begleiteten.
Nun hielt er mit den höchsten Richtern seines Glaubens eine Besprechung ab, der außerdem nur noch der Sultanslehrer, der Chodscha, beiwohnte. Sonst war niemand zugelassen.
In ihren wirkungsvollen pelzverbrämten Gewändern saßen die würdigen Herren mit untergeschlagenen Beinen auf den Sofas, der Mufti in Weiß, die Kadiaskere violett, der Chodscha rot, während Soliman eine Kapanidscha in Grün trug.
Vielfach verriegelt und bewacht waren die Türen.
Soliman hatte eine schwere Zeit hinter sich, und von dieser Stunde sollte es abhängen, ob ihm ein Ausweg aus seinem Leiden gefunden werden könne.
Roxelane war aus seinem Leben verschwunden.
Als Sklavin, hatte sie ihm sagen lassen, habe sie keine Sünde begangen, wenn sie ihm, ihrem Herrn, gehorsam gewesen sei. Jetzt aber als Freie würde sie die schwere Sünde der Hurerei auf sich laden, auf sich und auf ihn, den Kalifen, den Beherrscher der Gläubigen, den Herrn des Islams.
Durch nichts war Roxelane umzustimmen gewesen, und seit jener letzten Nacht mit Soliman ging sie auf im Almosengeben und Gebet. Plötzlich und ohne Warnung war ein Teil von Solimans Ich verschwunden.
Er hatte nicht begriffen, wie es zugehen könne, daß ein
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