Roxelane
aus den Geboten des
Korans eine Begründung für die Übertretung desselben Korans abzuleiten - diese Geschicklichkeit war ihnen nicht gegeben.
Und Ebusuud versagte sich ihnen.
Kaum noch erträglich war die Spannung für Soliman. Ob Ebusuud denn niemals Mufti werden wolle?! fragte er sich.
Doch eine Hoffnung hatte er nicht mehr.
Das Ergebnis der Beratung war denn auch, daß die fleischliche Vereinigung eines Freien mit einer Freien ohne eheliche Bindung Hurerei sei, vom Koran bei schwerer irdischer Strafe verboten. ,Denn es sind Frevler', heiße es in der vierundzwanzigsten Sure, ,außer jenen, welche hernach bereuen und sich bessern; denn siehe, Allah ist wahrlich verzeihend und barmherzig.'
Trotzdem Soliman den Schlag erwartet hatte, blieb er stumm. Die Pause gebührte dem Spruch, und sie entsprang zugleich seiner Benommenheit.
Als er die Sitzung dann aber mit einem Dank an die Herren aufheben wollte, öffnete Ebusuud zum erstenmal den Mund.
„Es gäbe einen Ausweg, mein Padischah“, sagte er.
Das war eine Kühnheit, und ohne die Wohlerzogenheit der geistlichen Herren wäre wohl alles aufgestanden.
Wie die Eminenz sagen könne, empörten sich die anderen dafür im stillen, anstatt dem Furkan, der Erkenntnis, nachzueifern und Belehrung zu schöpfen, es sei ein Ausweg gesucht worden, um zu sündigen! Aber dieser Ebusuud sei zu jung zu seiner hohen Würde gekommen und habe sich schon als Muderris in die gefährlichsten Dinge verstrickt. Auch Soliman war sich der Ungehörigkeit des Kadiasker bewußt. Aber statt zu rügen, forderte er zum Sprechen auf.
Ebusuud verneigte sich.
„Denn Allah ist wahrhaftig verzeihend und barmherzig“, begann er, „und so heißt es denn auch in der vierundzwanzigsten: ,Sie sind Frevler, außer jenen, welche hernach bereuen und sich - bessern.'“ Vor dem letzten Wort hatte er eine kleine Pause eingelegt, und die wiederholte er nun, ehe er fortfuhr: „Von Besserung spricht die Sure ,Das Licht ', offenbart zu Medina. Und welche andere Besserung sollte es hier wohl geben als die durch eine gesetzliche Ehe?“
Man war befremdet. Ob Ebusuud denn nicht wisse, daß des Kaisers Majestät für sich selbst geistlichen Rat verlangt habe? Und ob der Kadiasker den Kanun nicht kenne? Was er also da von Ehe rede, die der Kanun doch ausschließe? !
Keiner der geistlichen Herren begriff, was für einen Sinn Ebusuuds Rede noch haben könne - nur Soliman horchte auf.
„Das gilt von dem“, sprach Ebusuud, „der in Sünde fiel. Doch das gilt auch für den Schuldlosen, dem die Besserung des Sünders den richtigen Weg weist, die Sünde zu vermeiden. Wenn der Herr seine Magd mit ihrem Willen beschläft, trifft keinen von beiden Sünde, Sünde vermeiden sie, wenn sie sich einander enthalten, sobald die Magd frei wird. Und ohne Sünde sind sie, wenn er sie zum Weibe begehrt und sie ihn zum Manne nimmt, um in Zucht und nach Allahs Geboten zu leben, wie es die Schrift befiehlt.“
Nun geschah es doch, das Unerhörte!
Aber es war Soliman, der aufsprang.
Und ohne die Väter zu entlassen, ja ohne auch nur anzudeuten, daß er sich ihrer Anwesenheit noch bewußt sei, durchmaß er mit großen Schritten das Zimmer.
Die erstarrten Herren standen und schlugen die Augen nieder. Wenn sich der Padischah ihnen nackt gezeigt hätte, wären sie nicht verlegener gewesen, eher weniger. Denn jetzt wußten sie mehr von ihm. Sie wußten, was er dachte.
Der einzige Ruhige war Ebusuud. Soliman aber verbiß seine Wut. Das Wort Heirat hatte ihn Roxelanes Ziel erkennen lassen. Ebusuud hatte es mit seinen gelassenen Worten enthüllt.
Sie selbst aber sei die Treiberin gewesen, nicht die Getriebene, weder durch ihre Frömmigkeit noch durch ihr Gewissen - davon war Soliman jetzt überzeugt.
Seit Mohammed dem Eroberer war keiner seiner Vorfahren mehr eine gesetzliche Ehe eingegangen. Soliman hatte sich bereits gegen den Kanun vergangen, als er Roxelane auch nur den Freibrief hatte ausstellen lassen.
Er hätte dem Kadiasker Ebusuud, durch dessen Fetwa er dazu verführt worden war, den Kopf vor die Füße legen mögen!
Glücklicherweise lag es nicht in seiner Macht, einem Würdenträger des Gesetzes das Leben zu nehmen. Er hätte es hinterher doch nur bereut. Denn er war zu gerecht gegen sich selbst, um auf die Dauer seine eigene Schuld zu übersehen.
Des Herrschers Frau sollte keine Freie, sondern eine Sklavin sein, wie er selbst der Sohn einer Sklavin war, um durch keine Rücksicht auf Verschwägerungen gebunden
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