Roxelane
Schwiegersohn Rustem unbehelligt als Großwesir.
Auch Chaireddin Barbarossa hatte mit Recht als ihr Schützling gegolten, und zu anderen Zeiten hätte man an den Kapu Aga Oweis, den früheren Flottenkommissar, als Nachfolger gedacht. Jetzt überlegte man, daß Oweis als Sohn der Obersthofmeisterin Dede Semid zu Roxelanes festesten Stützen gehöre. Andere glaubten allerdings schon deswegen nicht an ihn, weil das Amt des Kapu Aga dem des Großadmirals vorangehe und die Ernennung zum Kapudan Pascha dem jungen Eunuchen - falls er sich überhaupt noch halten könne -nur eine Verringerung an Rang und Einfluß bringen würde. Tatsächlich wurde Oweis Aga auch nicht ernannt; aber ebensowenig einer von Barbarossas berühmten Unterführern, den Beys des Meeres.
Der Öffentlichkeit wäre einer dieser vielfach erprobten Flottenführer am ehesten genehm gewesen. Soliman jedoch mochte Bedenken gehabt haben, die Eifersucht dieser Männer untereinander zu entfesseln, von denen jeder so viele Verdienste aufzuweisen hatte wie der andere.
Soweit hätte man den Kaiser noch verstanden. Das große Erstaunen über seine Entscheidung rührte von zwei ganz anderen Gründen her. Einmal war der Erwählte ein junger Kämmerer des Serails, der, wie man wissen wollte, zwar vom Kapu Aga vorgeschlagen worden sei, aber noch niemals etwas mit der Flotte zu tun gehabt hatte. Dann aber gehörte der neugebackene Admiral auch gerade wieder zu den Männern, die ihre ganze Laufbahn der verungnadeten Sultana verdankten!
Er war der Sohn des griechischen Priesters aus Sokoll, der Bosnier Mohammed Sokolli, der frühere Sklave Iskender Tschelebis und Roxelanes zuverlässiger Briefschreiber aus der Zeit ihres Kampfes gegen Ibrahim.
Zwar wurde er nicht gleich Pascha, und Barbarossas drei Roßschweife bekam er schon gar nicht. Mohammed Bey Sokolli mußte sich mit einem einschwänzigen Tugh begnügen. Doch als Erster Bey des Meeres wurde er kommissarischer Nachfolger des größten Seefeldherrn, den die Türkei bisher besessen hatte.
Keiner kannte des Kaisers Gedanken bei dieser Erhöhung, und von Roxelane Sultana sprach die Majestät überhaupt nie mehr. Daß aber der Großwesir Rustem Pascha sich nicht widersetzt hatte, verstand sich bei dessen Beziehungen zu Roxelane für die meisten von selbst. Nur ganz wenige wußten um Mohammed Sokollis außergewöhnliche Fähigkeiten, und zu diesen wenigen gehörte außer Roxelane eben auch Soliman.
Roxelane befand sich in der kaiserlichen Ungnade und herrschte, wie zu sehen war, trotzdem.
Der Kaiser aber hielt sich in Adrianopel auf, um zu jagen. Adrianopel war die zweite Station in der Entwicklung des osmanischen Reichs, Brussa in Anatolien war die erste gewesen. Die drei Hauptstädte Brussa, Adrianopel und Konstantinopel bezeichneten Weg und Aufstieg.
Ein ungefüges, aber geräumiges Serail stand Soliman in Adrianopel zur Verfügung, und mitten im See lag das Lustschloß weiland Murads des Zweiten, in dem sich Soliman zumeist aufhielt.
Besonders in einem achteckigen Turmzimmer war er abends, wenn die Nebel aufstiegen, gern mit seinen Weinkannen allein. So unvergleichlich erschienen ihm die Arabesken in der halberhabenen Deckenarbeit, von so vollendetem Geschmack die Teppiche, Polster und jeder einzelne Gegenstand aus vergangener Zeit.
Inmitten dieser Erlesenheiten träumte Soliman wohl davon, selbst ebenso wie einst Murad auf der Höhe seiner Macht abzudanken, um sich in einem Kreis von Freundschaft und Schönheit von der Herrschaft auszuruhen. Soliman dachte an Magnesium und Murads Tulpenbeete.
Aber Soliman konnte nicht gelassen wie der Ahne dem Thron entsagen, wenn er nicht wollte, daß seine Söhne übereinander herfielen. Auf Mustafa glaubte er sich in keiner Weise verlassen zu können. Wie solle auch Vertrauen zwischen Brüdern aufkommen, erbitterte er sich, wenn es selbst zwischen ihm und Roxelane kein Vertrauen mehr gebe? Und was bedeute ein Freundeskreis, trauerte er zugleich, wenn Roxelane ihm fehle, die ihm jeden Kreis und alle Freunde ersetze? Zweimal war Murad vom Thron gestiegen, und zweimal hatte die Not ihn zurückgerufen. Wenig hatte die Macht dem frohen Lebensgenießer bedeutet. Aber so überragend waren sein Geist und seine Kraft gewesen, daß sich ihm selbst des Sohnes Trotz immer wieder gebeugt hatte. Und dieser Sohn hatte als Mohammed der Zweite später Konstantinopel erobert!
Oft träumte Soliman von Murad.
Wenn er sich aber nach hinten gleiten ließ, entstieg diesen Träumen stets
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