Roxelane
Roxelanes Bild. Lange Gespräche führte er dann mit ihr, und ihr Lachen erfüllte den Raum.
Vor ihrem Lachen aber floh er in die Jagd.
Sie war mehr als eine Lust, wenn Soliman auch nicht wie mongolische Kaiser mit großen Heeresmassen über weite Provinzen Treiben veranstaltete. Immerhin waren die Wälder an der Maritza groß genug, um außer den kaiserlichen Haustruppen auch noch verschiedenen anderen Einheiten Beschäftigung zu geben, bis schließlich das eingekesselte Wild den Pfeilen der hohen Jagdgesellschaft erlag oder zur Freiheit entsprang. Feuerwaffen waren verpönt.
Soliman liebte die Jagd. Jetzt aber kam es oft vor, daß Soliman auf dem Stand und selbst auf der Hirschhatz plötzlich den Bogen sinken und die Jagd vorzeitig abblasen ließ.
Dann hatte er an seiner Seite eine Lücke entdeckt, die schmerzte und die sich doch nach menschlichem Ermessen niemals mehr schließen würde.
Wenn Mirmah, was oft geschah, zu ihrer Mutter ins Köschk Hebetullah kam, fand sie von den alten Vertrauten nur noch Nino bei ihr, die als Hofmeisterin ihren Dienst tat.
Dede Semid als Kiajai Harem und Oweis in seiner Eigenschaft als Kapu Aga waren in Adrianopel, und sonst bestand Roxelanes Umgebung durchweg aus erster Jugend. Roxelane verheiratete ihre Mädchen immer sehr früh. Sie blieben zwar auch dann noch ihre Kinder; aber zu einer Vertraulichkeit, wie sie nur das gemeinsame Erleben der Jahre ergibt, kam es nicht. Wenn den Mädchen eben das Verständnis reifte, bekamen sie auch schon ihre Männer, über die der Herrin zu berichten ihre hauptsächlichste Aufgabe war.
Zur Zeit hatte Roxelane allerdings noch Dauerbesuch, wenn man so etwas Besuch nennen konnte, dessen Ende nicht abzusehen war. Perid Hanum lebte bei ihr mit ihrem Töchterchen Humai Sultana. Sie waren Mohammed Solimans Witwe und einziges Kind. Und heute hatte auch Mirmah ihre beiden kleinen Mädchen mitgebracht.
Oberflächlich betrachtet, war es eine Familienzusammenkunft mit Kinderspielen und Damenkaffee, mit Sorbets, Zuckerwerk und Kuchen. In Wirklichkeit war Mirmah im Auftrag ihres Mannes gekommen und mit eigenen, schweren Bedenken.
Es dauerte lange, bis sie darüber reden konnte; aber zuletzt wurde es doch so eingerichtet, daß sie mit der Hofmeisterin Nino und der Mutter allein war. Immer noch fiel es Mirmah schwer, den Anfang zu finden, bis Roxelane ihr zu Hilfe kam.
„Beginne nur ruhig mit dem, was dich hergeführt hat, Mirmah“, sagte Roxelane. „Denn dich hat etwas hergeführt.“
„Ja, Mutter“, bestätigte Mirmah.
„Rustem schickt dich?“ „Der Pascha schickt mich natürlich nicht“, meinte Mirmah ein wenig verletzt. „Aber nach dem, was er mir berichtete, hielt ich es für meine Pflicht, Eurer Hoheit davon Mitteilung zu machen.“
Roxelane lächelte. Immer fühlte Mirmah Verpflichtungen, und immer hielt sie auf ihren Rang.
„Hat er Nachrichten aus Adrianopel?“ fragte Roxelane ernster, aber immer noch so, als gehe Adrianopel sie nicht mehr au als eine andere Stadt.
„Ja“, sagte Mirmah darum nur, gerade noch: ja.
„Ich nehme an, gute Nachrichten“, ergänzte Roxelane diese Zurückhaltung. „Seine Majestät liebt die Jagd, und der Aufenthalt im Freien bei körperlicher Tätigkeit hat ihm immer wohlgetan.“
„Darüber hat Rustem nichts gesagt“, wich Mirmah aus.
Eine Weile war Schweigen.
„So“, machte Roxelane dann und wandte sich wieder ihrem Stickrahmen zu.
Alle drei Damen waren auf gleiche Weise beschäftigt.
Mirmah aber warf nach einigen Stichen ihre Handarbeit fort. Sie hatte eine andere Anteilnahme an ihren Neuigkeiten erwartet. „Nino“, rief sie. „Nino Hanum, ich bitte Sie, veranlassen Sie Ihre Hoheit doch, sich Rechenschaft über ihre Lage zu geben. Sie ist nicht so sicher und ungefährdet, wie Ihre Hoheit glaubt!“
„Soll ich hinausgehen?“ fragte Nino nur, indem sie sich erhob und Roxelane ansah.
„Du bleibst!“ befahl ihre Herrin jedoch.
Nino setzte sich wieder.
„Ich befürchte nichts für meine Sicherheit“, fuhr Roxelane zu Mirmah fort. „Wir sind keine Engländer, die einen König haben, der einer seiner Frauen nach der andern den Kopf abschlagen läßt. Bei uns wäre das wohl nicht möglich.“
Mirmah ärgerte sich, daß die Mutter das Gefühl ihrer persönlichen Sicherheit lediglich auf allgemeine Grundsätze zu stützen schien. Dadurch fühlte sie ihren Vater, ohne daß es ausgesprochen worden wäre, beleidigt.
„Sie haben recht, liebe Mutter, die Majestät des Kaisers nicht
Weitere Kostenlose Bücher