Roxelane
zu sein und zum Trost für seine Untertanen, die das Vorrecht der freien Geburt vor ihm voraus hatten und doch seine Sklaven waren. Roxelane kannte den Kanun.
Indem sie gegen das Gesetz anging, hatte sie ihre Waffen gegen ihn selbst gekehrt. Und Soliman kam sich in seinem rückhaltlosen Vertrauen von der Frau, die er liebte, verraten vor.
Die ersten Fieber seines Zornes beschwingten ihn. Wie in einem Rausch war er und dachte nicht daran, daß der Schmerz folgen würde und das Verlangen und die Einsamkeit.
Denn wenn er sich auch an einem hohen Ulema nicht vergreifen durfte, so glaubte er doch soweit der Herr zu sein, um das Verlangen nach einer Frau in sich ausrotten zu können, die keine Liebe daran gehindert hatte, ihm eine Falle zu stellen.
Er glaubte nicht mehr an Roxelanes Liebe zu ihm. Er wollte nicht an sie glauben.
Viele Frauen gebe es für den Padischah, redete er sich vor, wobei jedoch keine einzige Wallung seines Herzens diesen Frauen galt, sondern jede Regung nur der einen, Roxelane, der er die Kränkung zurückgeben wollte, die sie ihm zugefügt habe.
Jetzt, unmittelbar, hätte er mit ihr reden mögen.
Nicht einmal das war ihm vergönnt.
Und in diesem Augenblick packte ihn erster Schmerz.
Zwar fühlte Soliman ihn nur darüber, daß es ihm versagt war, die, der er seine Verachtung ins Gesicht schleudern wollte, auch nur zu sehen, zu ihr zu sprechen, sie zu hören, und noch hatte sein Zorn die Stärke, diesen ersten Schmerz zu unterdrücken. So nährte er denn seinen Zorn, der seine Stütze und sein Schutz war. - Er blieb stehen. Jenseits des Fensters baute sich die Stadt auf, deren Herr er war. Marmorkuppeln und Palmen, flache Dächer und schlanke Minaretts
wölbten sich, ragten, stießen in den Horizont. Alles gehörte ihm. Er war der Padischah. Er lächelte bitter.
Wozu war er Padischah, wenn er nichts konnte als leiden?
Doch er würde die Rechnung zerreißen, in der er eine Ziffer hatte sein sollen, war sein Entschluß, und dann würde nicht er allein es sein, der litte.
„Ich danke Eurer Heiligkeit und Ihnen, meine Väter“, sagt er, um dann Ebusuud mit einem bösen Lächeln noch zurückzuhalten. „Sie sind Mirmah Sultanas Imam, Eminenz?“
„Ihre kaiserliche Hoheit würdigt mich dieser Ehre.“ Selbstverständlich wußten alle, daß Soliman Ebusuuds geistliches Verhältnis zu Mirmah genau kannte.
„Und wann werden Sie meine Tochter sehen?“
„Heute noch, Majestät“, erklärte Ebusuud ruhig, obwohl er die Hintergründe der Frage sehr wohl verstand. „Ihre Hoheit hatte die Gnade, mich zu sich bitten zu lassen.“
„Begreiflich, sehr begreiflich“, nickte Soliman mit überlegenem Spott, und da es ohnedies geschehen würde, ermächtige ich Sie ausdrücklich, der Sultana alles zu sagen, was hier gesprochen wurde und was Sie sahen.“
„Eure Majestät können Schweigen und Reden gebieten.“
„Ich befehle zu reden. Und bringen Sie ihr auch meine Antwort auf die letzten Ausführungen, die Sie machten, Eminenz. Es waren sehr aufschlußreiche Ausführungen, und ich habe darauf nur eine recht einfache Antwort.“
Soliman machte eine Pause.
Ebusuud wartete in höchster Spannung, zu welchem Entschluß der Kaiser gekommen sei: ja oder nein - Heirat oder Verwerfung?
„Ich gehe auf die Jagd“, sagte Soliman.
44
Das Reich betrauerte den Schöpfer seiner Flotte, den Kapudan Pascha Chaireddin Barbarossa. Am Ufer des Bosporus, beim Kollegium zu Beschiktasch, das er selbst gestiftet hatte, wurde Barbarossa bestattet. Ein Dom sollte sich später über seinen Gebeinen erheben als ein siegverheißender Sammelpunkt osmanischer Flotten. Der Kaiser war in Adrianopel, und niemand konnte sagen, wann er zurückkehren würde. Denn wohl war er allein mit der Hofjagd aufgebrochen, hatte dann aber den gesamten Harem ohne Ansehung der gewaltigen Kosten eines solchen Umzugs nachkommen lassen, und es verlautete sogar, daß er auch noch nach Kleinasien überzusetzen und in den Wäldern von Brussa zu jagen gedenke.
Roxelane war natürlich mit ihrem Hofstaat in Konstantinopel zurückgeblieben, und nach diesem Beweis endgültiger kaiserlicher Ungnade, in die Roxelane gefallen zu sein schien, wartete alles mit besonderer Spannung auf die Ernennung von Barbarossas Nachfolger.
In die Mauer der großen Talente, durch die Roxelane ihre Macht befestigt hatte, war freilich noch keine Bresche geschlagen. Es war gleichsam, als habe sie ihre Günstlinge Soliman vermacht. Vor allem regierte noch immer ihr
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