Roxelane
Schmuck umsehen, den sie Roxelane ungeachtet der kaiserlichen Zuwendungen von sich aus zu schenken gedachte. Mochte die Exzellenz der Frau Obersthofmeisterin auch nicht an die Dauer von Roxelanes Begünstigung glauben, so wäre es doch unschicklich oder vielleicht sogar gefährlich gewesen, einen geheiligten Brauch zu vernachlässigen. Schon die Ehrerbietung vor dem Willen des Padischah verlangte diese Höflichkeit.
Aber auch die Prinzessinnen, der Kislar Aga, die Kammervorstände und manche Dame, die auf diese Weise ihren Eifer zu bezeigen wünschte, wußten, wa8 sie zu tun hatten. Immer wieder trafen Dienerinnen und junge Eunuchen mit Glückwünschen und Geschenken ein. Der Schlaf- und Wohnsaal, der bis jetzt Roxelanes eigentliche Heimstätte gewesen war, glich bald einem Meer von Blumen, und die sieben Guedlicki, die ihn mit ihr geteilt hatten, bezeichneten sich mit einem Schlage als die sieben besten Freundinnen der Gefeierten.
Mit glühendem Neid und ebenso heißem Entzücken sahen sie die seidenen Asmacks, diese Gesichtsschleier mit gold- oder silberverbrämten Kanten, die mannigfachen Talpotsche, reizende Kopftellerchen, von denen entweder schwere Quasten herunterhingen oder stolze Reiherfedern keck in die Höhe strebten. Der Kislar Aga hatte gar Stelzensandalen fürs Bad gespendet, deren hohe Stöckel vergoldet, deren Kreuzbänder mit Saphiren benäht waren; denn der erfahrene Frauenkenner wußte, daß solche Sandalen von um so größerer Kostbarkeit sein mußten, als sie im Gebrauchsfall die einzige Kleidung der Dame darstellten, die sie trug.
Und immer noch kamen neue Geschenke.
Perlen leuchteten in ihrem matten Schein, Diamanten funkelten, Smaragde und Rubinen glühten. Ketten für den Hals, Ringe für die Finger, Gehänge für die Ohren, Bänder für die Arme und die herrlichen Tschepraste, Kopf- und Gewandspangen, dann die Knöchelreifen, um jeden Schritt der Herrin zärtlich zu umklirren, juwelenbestickte Gürtel und Hemden aus Kaschmir - alles, alles war da, und jede der sieben Mädchen hätte die Hälfte ihres Lebens dafür gegeben, diese Schätze besitzen zu dürfen.
Denn wenn sie die Schönheit ihrer Schlafkameradin auch gering einschätzten und ihre Erhebung als ein nicht einmal gutes Scherzspiel ansahen, zweierlei würde man ihr dennoch nie mehr nehmen können: den Titel und den Rang einer Hanum, einer Herrin und Dame, und diese reichen Geschenke!
Fast alle dachten so. Nur die Gouvernante der Mädchen, die vor weniger als zwei Stunden auch Roxelanes Vorgesetzte noch gewesen war, dachte gänzlich anders.
Die ehrenwerte Frau Dede Semid betrachtete diesen Tag als weit verheißungsvoller, sowohl für Roxelane als auch für sich selbst.
Bis jetzt freilich hatte das Glück nichts für Frau Dede Semid getan, obwohl niemand verkennen konnte, daß die Dame einmal eine schöne Frau gewesen sein mußte. Den Eintritt in den kaiserlichen Harem hatte sie mit dem Verlust ihrer Familie bezahlen müssen. Mit fünfundzwanzig Jahren war sie als immer noch unbegehrt verheiratet worden, und zwar an einen Imrachor, einen kaiserlichen Stallmeister, der aber noch unter Selim in Ungnade gefallen war und mit seinem Vermögen auch seinen Kopf verloren hatte. Unter diesen Umständen war es ihr als die Rettung erschienen, daß der Padischah ihre Söhne ins Pagenkorps gesteckt und ihr selbst den Wiedereintritt in den Harem als Gouvernante von acht jungen Mädchen ermöglicht hatte. Die Hoffnung auf einen weiteren Aufstieg jedoch war von ihr im Laufe der Jahre fast schon begraben gewesen, bis dann Roxelane erschienen war! Und heute nahmen diese Hoffnungen endlich Gestalt an. Natürlich war für Frau Dede Semid höfische Vorsicht fast schon zur körperlichen Eigenschaft geworden, und so hatte sie denn auch niemanden, nicht einmal ihre Mädchen und schon gar nicht die Bedienerinnen, jemals etwas merken lassen. Aber heute konnte sie ihren Stolz kaum noch verbergen. Sie war stolz auf Roxelane, und würdig wie nur die Hofmeisterin einer Sultana nahm sie namens der jungen Dame Glückwünsche und Geschenke mit gemessenem Dank wie einen schuldigen Tribut entgegen.
Denn Hofmeisterin wollte sie ja werden, eine Frau von Einfluß wollte sie werden, die ihren Söhnen die höchsten Ämter erschließen konnte. Die Hofmeisterin einer Sultana wollte sie werden.
Vorerst wußte niemand außer ihr von dieser heimlichen Sultana. Sie aber war überzeugt, die jetzt noch Verhüllte zu kennen.
Frau Dede Semid, der selbst kein Stern
Weitere Kostenlose Bücher