Roxelane
wurde.
Eine Sklavin, die diesen Ansprüchen nicht genügte, blieb trotz aller Schönheit zeitlebens eine Magd.
Dafür galt eine Dame des Palastes aber auch als der Gipfel aller Vornehmheit, und mit der Hand eines so vollkommenen Wesens beglückt zu werden, war der Traum aller erfolgreichen Staatsdiener. Wie christliche Monarchen eine goldene Kette oder einen Orden verliehen, so vergab der Padischah die Hand eines Mädchens seines Serails als Auszeichnung für hervorragende Dienste. Auf diese Weise überwachte das Serail dann die gesamte Staatsverwaltung.
Denn die Damen, die einen hohen Beamten zum Gatten erhielten, weil sie bis in ihr Alter von zwanzig und einigen Jahren von der Majestät nicht begehrt worden waren, diese Damen fanden den Weg in die Hofluft, an die sie nun einmal gewöhnt waren, immer wieder zurück, selten rissen ihre Verbindungen mit dieser oder jener hohen Persönlichkeit ganz ab, und so waren sie, genau wie die Prinzessinnen, die beste Gewähr für die Treue und den Diensteifer ihrer Männer.
Durch den Harem und die Pagenkammern erhob sich das Serail in Wahrheit zu einer Wiege des Reichs, und so war der Harem keineswegs nur ein Garten Eden oder ein Haus der Glückseligkeit, wie ihn die Dichter besangen, sondern eine Staatseinrichtung von höchster Bedeutung.
Auch Roxelane hatte es nur der Familienpolitik der Sultana Walide zu danken, daß sie in diese heiligen Bezirke aufgenommen worden war. Denn wenn die Sultanin-Mutter sich auch für die Nachkommenschaft ihres regierenden Sohnes verantwortlich fühlte und eine Verbindung, die ihr unangemessen erschienen war, zu durchkreuzen versucht hatte, wäre es ihr doch niemals eingefallen, ihre Schwägerin Nur Banu dadurch zu kränken, daß sie Roxelane, einem Geschenk Ihrer Hoheit, eine nur dienende Stellung angewiesen hätte.
Roxelane war daher eine Ausnahme, und als solche empfand sie Soliman. Irgendwie fühlte er durch sie die Ordnung verletzt, nach der es seinen ernsten Sinn verlangte, und so schien es ihm das beste, diesen Stein des Anstoßes aus der Gesetzmäßigkeit eines Harems zu entfernen. Auf eine ehrenvolle Weise natürlich. Auf eine sehr ehrenvolle sogar!
Ein Tausch oder selbst eine obere Hofcharge sei mit ihr zu begaben, war seine Meinung, noch besser der Schatzmeister einer entfernteren Provinz. Auf diese Weise werde er allen gerecht werden, der Mutter, seiner Frau Tante und auch dem Mädchen, das unter keinen Umständen verkürzt werden solle.
Soliman hatte den besten Vorsatz, als er Roxelane jetzt gnädig zuwinkte, sich zu erheben. Ganz Gnade war er, denn er wollte zu Saffieje und seinem Sohn, und das warme Gefühl, das er für den Knaben und dessen Mutter hegte, schmolz jede Härte in ihm fort. Roxelane erhob sich.
Aber sie tat es weniger infolge des kaiserlichen Winks als aus einem Erschrecken heraus, das sie auch vor Soliman nicht verbergen konnte. Unwillkürlich folgte er ihrem Blick, und da sah er ... Saffieje.
Niemals sahen die Damen es gern, wenn der Padischah, wie Soliman dies vorhatte, sich persönlich ins Feld begab, und besonders einer Gebieterin des Harems wie Saffieje Sultana konnte es nicht gleichgültig sein, daß der Großherr für lange ihrem weiblichen Einfluß entzogen werden sollte.
Wenigstens einen privaten Besuch Solimans hatte sie vor seiner Abreise noch erhofft und voll Ungeduld auf die Ankündigung gewartet. Leider vergeblich. Vergeblich hatte sie auch mit ihren Damen Zerstreuung im Bade gesucht, um dann der Meeresfrische den Vorzug zu geben.
Saffieje war dem Prinzen Mustafa eine gute Mutter und liebte Soliman aufrichtig; aber sie war auch von unbändigem Stolz und von einer Heftigkeit, die aus den Männern ihres Stammes wilde, todverachtende Krieger machte.
Sie kam ans Meer und sah den Vater ihres Knaben im Gespräch mit jenem Mädchen, das schon einmal als Eindringling ihren Zorn erregt hatte. Mit dem Mädchen sprach er, doch sie, die Chasseki Sultana, die innigstbegünstigte Sultana, hatte nicht einmal eine Ahnung, daß der Gebieter überhaupt im Harem war. Offenbar habe er nicht die geringsten Anstalten getroffen, sie aufzusuchen, erzürnte sie sich. Während also ihre Damen vor dem Großherrn versanken, tat Saffieje nichts, was dem ähnlich gewesen wäre. Lodernd stand sie da. Ihre schwarzen Flechten umzitterten sie, denn ihr Atem ging rasch, und ihre Augen funkelten wie ihre Juwelen.
Noch im Zorn war sie schön.
Es wäre ihr aber besser gewesen, Soliman hätte sie nicht überraschen wollen und
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