Roxelane
sich zu allen Zeiten auch am Schmerz begeistern. „Herrin!“ sagte Dede Semid. „Wenn niemand weiß, wer du bist -ich weiß es!“
Und damit glitt sie vor der nieder, die bis jetzt ihre Schülerin gewesen war, und beugte sich tief und küßte als Roxelanes einzige Untertanin die langen und schmalen Füße des Mädchens.
Doch Roxelane fühlte wohl die Lippen der Knienden auf ihren Zehen, den Hals und das Haar der Gebeugten unter ihren nackten Sohlen -dennoch waren ihre Gedanken zu sehr bei der Freundin, als daß sie eine Bewegung gemacht hätte, sie aufzurichten.
Ja.. ., dachte Roxelane, Dede Semid hoffe voraussetzungslos, ohne Wissen und gläubig; aber ... das sei es eben: diese Frau denke nur an ihren früheren Zögling, an ihre, Roxelanes, Aussichten denke sie; Dede Semid wäre es als der Gipfel weiblichen Triumphes erschienen, wenn Soliman der Dame Roxelane zuliebe die Truppenrevue abgesagt hätte. - Das verstand Roxelane nicht.
Ihre Gouvernante müsse doch um das ewig rebellische Mißtrauen der Janitscharen wissen, überlegte sie, und ob es Dede Semid wirklich so rühmlich erscheine, einen Mann in Gefahr zu schicken?
Und nicht nur das! Solimans Bleiben wäre auch unkaiserlich gewesen. Könne Dede Semid denn nicht begreifen, daß es ihr, Roxelane, nicht einmal eingefallen sei, Soliman um etwas Unkaiserliches zu bitten . ..? Nein . . .? Nun, dann dürfe auch Dede Semid nichts wissen. Nicht einmal die Möglichkeit dürfe sie haben, sich überrumpeln zu lassen. Denn Dede Semids Vorsicht sei groß; aber ihre Eitelkeit — die nichts als Eitelkeit auf ihre Schülerin Roxelane sei - übertreffe jegliche Vorsicht.
Und was schließlich wisse sie, Roxelane, selbst?
Was könne sie über die Gedanken und Gefühle Solimans sagen, die er bei seiner Rückkehr - vielleicht nach vielen Monaten erst! -hegen werde? Über Gedanken und Gefühle, die Soliman sicher selbst noch nicht kenne!
Nichts wisse sie und nichts könne sie sagen, entschied sich Roxelane. Alle Welt habe ihre Brautnacht als Farce angesehen, und Dede Semid solle bei diesem Glauben bleiben wie alle Welt und werde... womöglich damit noch recht behalten!
Roxelane erhob sich. Fest trat sie auf Dede Semids Nacken und preßte das Gesicht der Knienden bis auf den Boden.
„Du bist an deinem Platz, Dede Semid“, sagte Roxelane, „du hast niemals geliebt.“
„Nie geliebt?“ seufzte es mit schwerem Vorwurf von unten.
„Keinen Mann“, schloß Roxelane. Und dann gab sie den Nacken frei. Ein scheuer Blick der Befreiten streifte des Mädchens Gesicht. „Ja, liebst du denn . .. Soliman ...?“ fragte Dede Semid ganz verwirrt.
11
Soweit es Roxelane betraf, empfand der Harem die Lage als wenig befriedigend. Welchen Eindruck der Kaiser auch von diesem Mädchen aus Bagdscheserai empfangen haben mochte - es war eine beklemmende Tatsache, daß weder die Damen noch ihre schwarzen Eunuchen irgend etwas darüber wußten.
Roxelane selbst aber zu fragen wäre zwecklos gewesen.
Sie wollte offenbar nichts sagen. Denn sonst hätte sie nicht die allgemeine Unruhe des kaiserlichen Aufbruchs benutzt, um sich heimlich und allein wieder zu ihrer Oda zu begeben, was die befehlslose Haremsverwaltung zwar mancher Schwierigkeit überhob, den Türhütern aber dennoch eine scharfe Bastonade eintragen würde.
Und die weißen Eunuchen des persönlichen Dienstes Seiner Majestät? Die hatten sich genauso unergiebig wie Roxelane Hanum erwiesen! Diese großen Herren waren als einzige in der Nähe der Majestät gewesen. Doch außer der allerdings erstaunlichen Nachricht vom kaiserlichen Lachen hatten sie nicht die geringste weitere Verlautbarung an die Öffentlichkeit gelangen lassen.
Es lag nur zu nahe, daß der gesamte farbige Damendienst in diesem empörenden Schweigen der weißen Kollegen nichts als einen Ausfluß von Eifersucht erblickte.
Allerdings mußte auch die Möglichkeit zugegeben werden, daß die Weißen selbst nichts wußten.
Aber dann hätten sie es nach der Meinung der Schwarzen sagen müssen. Denn schon die kleinste Andeutung wäre wertvoll gewesen! Mit vollendeter Höflichkeit jedoch waren diese Herren der Achsel und die ihnen nahestehenden Personen den geschicktesten Fragen ausgewichen, und jetzt befand sich die ganze Gesellschaft - die vom Haremsdienst insgeheim nur ,die weiße Aufgeblasenheit' genannt wurde! - obendrein noch mit dem Großherrn in Kawak.
Wer jedoch konnte wissen, ob der Herr nicht unmittelbar aus dem Lager ins Feld ziehen würde?
Alles sah
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