Roxelane
nur nicht Roxelane.
Soliman und Roxelane hoben ihre Blicke zueinander auf.
Sie waren noch jung und erlebten zum erstenmal mit Bewußtsein, daß jedes Leben Leben vernichtet und jedes Glück ein anderes Glück. Das aber brachte die laute Lust in ihnen zum Schweigen. Roxelane begann.
„Ist es gut, was wir taten?“ fragte sie.
Sie sagte ,wir‘, und doch hatte sie, solange Saffieje da war, nicht einmal eine Bewegung gemacht.
„Ich weiß es nicht, Churrem“, sagte er.
„Sie liebt dich.“
„Sie liebt mich“, wiederholte Soliman, „doch mehr noch liebt sie sich selbst, ihren Stolz, ihre Schönheit und daß sie dereinst die Walide sein wird, wenn sie mich überlebt. Das liebt sie!“
Mit einem Hinundhergleiten ihrer Rechten wischte Roxelane diesen Satz in der Luft wieder fort.
„Was wir auch lieben, wir lieben immer uns selbst.“
Sie wußte nicht, warum sie es sagte; aber sie sagte es.
„So kommt es darauf an“, entgegnete er, „den Menschen zu finden, den zu lieben uns der Vollendung am nächsten bringt.“
Nach diesen Worten Solimans schwiegen sie beide. Denn obwohl sie hatten, was sie wollten, wagten sie doch nicht, es zu berühren. Sie waren wie Adam und Eva vor der verbotenen Frucht.
Als erste jedoch sprach wiederum Roxelane.
„Was sollen wir tun . ..?“ versuchte sie ihn.
Da aber fühlte er sich als Mann angerufen.
„Was uns Allah befiehlt“, entschied Soliman.
„O Soliman“, rief sie, „wie sehr ich dich liebe!“
Und als sie das rief, lag sie bereits in seinen Armen.
Am folgenden Morgen erbat der Kislar Aga im Allerhöchsten Auftrag eine Unterredung mit Saffieje Sultana.
Wo Ihre Hoheit geruhe, künftig zu residieren, fragte er sie. Alle kaiserlichen Paläste seien zu Hochdero Verfügung, nur nicht der eine: das Neue Serail.
Saffieje wurde weiß, als sie diese Frage vernahm, aber ihre Haltung verlor sie nicht mehr.
Sie ging ins Alte Serail zu ihrer Schwiegermutter Hafsa Chatun.
Auch zu Roxelane kam Lokman Aga, der Kislar.
Er führte zwei hohe weiße Eunuchen bei ihr ein, den Chasinedar Baschi, den Schatzmeister des Serails, und den Chaßoda Baschi, den kaiserlichen Ankleider, der des Sultans Siegel trug.
Diese Herren brachten ihr eine Verleihungsurkunde auf den Namen Churrem Hanum. In dieser Urkunde wurden ihr die Einkünfte aus den beiden Inseln Tenedos und Imbros als Paschmalik, als Schleierund Pantoffelgeld, übertragen.
Außerdem bekam sie das Köschk der Hebetullah.
16
Erst nach dieser zweiten Nacht mit Soliman empfing Roxelane alle Ehren, die ihr als dem Gefäß kaiserlicher Glückseligkeit zukamen. Zugleich hob ein allgemeines Aufwarten an.
Dieses Mal allerdings schickten die Damen keine Eunuchen und Dienerinnen, sondern kamen selbst. Und ebenso erschien auch der Weiße Dienst mit Geschenken.
Auch Bolil Aga kam, der Tschokadar. In ihm lernte Roxelane einen gescheiten Menschen kennen, und bald hatte sie ihn so weit ermuntert, daß er ihr gegenüber seine kleinen Ironien, die seinem bartlosen Gesicht so manches Licht aufsetzten, nicht mehr verbarg.
Doch auch die andern weißen Großeunuchen machten ihre Aufwartung, unter ihnen der Kapu Aga, der Obersthofmeister selbst, der ihr einen kostbaren venezianischen Spiegel verehrte.
Die bei der Hohen Pforte zugelassenen Bailos, die Konsuln der Seestaaten, schickten natürlich ebenfalls ihre Geschenke. Allen voran der Schutzstaat Ragusa, aber auch Venedig, Florenz, England und Frankreich.
Es konnte auch nicht ausbleiben, daß die Wesire und Großwürdenträger sowie die Agenten der Beglerbeys, der von Konstantinopel entfernten Generalstatthalter, sich genau wie die andern um das Wohlwollen der Herrin bemühten.
So viel kam zusammen, daß Dede Semid, die mit dem Rest ihrer Zöglinge Roxelane zur Dienstleistung überwiesen worden war, genug zu tun hatte, alles in Empfang zu nehmen und in Listen einzutragen. Roxelane selbst behielt sich die Besichtigung für später vor, und nur ein Geschenk ließ sie sich gleich zeigen, die Spende Mohammed Girais, des Khans der Krim. Sie bestand aus vier erlesenen Schwarzfüchsen von unschätzbarem Wert. Ursprünglich mochten die Füchse wohl für Saffieje bestimmt gewesen und erst im letzten Augenblick vom Sachwalter des Khans der Nachfolgerin zugewendet worden sein. Nachdenklich vergrub Roxelane ihre Hände in den aufreizenden Fellen. Wo mochten die Tataren sie erbeutet, wem sie abgejagt haben, wie viele Leben außer denen der Füchse selbst hatten sie wohl gekostet?
Und dann
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