Roxelane
wie unsicher sich Frau Kira doch fühlen müsse, um ihr, einer kleinen Hanum, gegenüber solchen Aufwand zu entfesseln. Nichts blitzte an Roxelane oder Dede Semid. Kira Sultana war dagegen ungeachtet der Trauer um ihre beiden Prinzen mit Diamanten übersät, und auf ihrem Talpotsch stak die Reiheragraffe ihres hohen Ranges.
Die arme Kira, dachte Roxelane.
Solimans erste Frau war eine Beute der bosnischen Grenze gewesen, aus jenem beständigen Kleinkrieg, der die Zeit zwischen den Kriegen erfüllte. Ihr Vater, ein Herr aus der Steiermark, hatte sein Lehen in Kroatien gehabt, und ob er nun gefallen war oder den Aufenthalt seines Kindes nicht hatte ausfinden können - jedenfalls war kein Lösegeld von ihm gekommen.
Dann aber wäre es auch schon zu spät gewesen.
Inzwischen hatten sich nämlich die Eunuchen des Mädchens angenommen.
Mit ihrem flachsigen Blond, den blaßblauen Augen, der schneeigen, rosig angehauchten Haut über den ebenso regelmäßigen wie molligen Formen war sie allerdings auch so recht das, was Eunuchen, zumal schwarzen, als weibliche Schönheit vorzuschweben pflegte.
Diese liebenswürdigen Leute waren es zuletzt auch gewesen, durch die sie dem prinzlichen Knaben Soliman, der selbst nicht gewählt hatte, ins Bett gelegt worden war. Alles in allem hatte Frau Kira also eine glatte und überaus erfolgreiche Laufbahn hinter sich. Ohne viel eigenes Dazutun war sie auf den höchsten Gipfel gehoben und dann . . . allein gelassen worden.
Ihre beiden Söhne lagen bei Solimans Vater Selim begraben, und ihren Mann hatte Saffieje bekommen, und jetzt besaß ihn vermutlich jenes kleine Mädchen, das so bescheiden vor ihr stand.
Bei allem Phlegma hatte diese hübsche Frau von noch nicht dreißig Jahren einen ganz gesunden Menschenverstand, und so überschätzte sie ihre Lage nicht. Um aber das Leben einer Witwe zu führen, war sie noch zu jung. Es ergab sich also ganz von selbst, daß sie nach einer Chance suchte, die ihr Saffieje nie gegeben hätte, die ihr jedoch -vielleicht — diese Junge noch einmal bieten würde? Denn mochte es auch den Anschein haben, als sei das Mädchen Kiras natürliche Feindin, so hatte Roxelane doch gegen Saffieje gekämpft, sogar mit mehr Glück als Kira gekämpft - und das verband sie beide.
Trotz dieser etwas schwelenden Hintergründe wurde aus der Unterhaltung bei Kaffee, Zuckerwerk und Sorbet allmählich noch ein ganz artiges Damengespräch, das wegen der vielen Worte, die gar nichts sagten, höchst bemerkenswert war.
Doch dann beehrte Kira Sultana ihren Gast mit einem Zeichen großer Herablassung. Sie beschloß, Roxelane ihre Wohnung zu zeigen. Säle, in die das Licht durch offene Kolonnaden einströmte, verhangene Gemächer, Musik- und Tanzzimmer wechselten in großer Zahl einander ab. Auch das herrliche Bad Ihrer Hoheit wurde geöffnet und schließlich das Schlafzimmer mit den Ankleidezimmern. Und die machten den Eindruck einer Unordnung, als wenn ihnen noch der Duft der Herrin anhafte, deren Ankleiden und Schmücken sie widerspiegeln sollten.
Die seidenen Decken des himmelweiten Bettes waren zurückgeschlagen; überall aber auf den Sofas und niedrigen Sesseln lagen Gewänder des Tags und der Nacht und eine Fülle kostbaren Schmuckes. Große Schätze waren das - wie durch einen Zufall dahin gewirbelt, wo sie gerade lagen.
Doch Roxelane merkte wohl den Fleiß, der diese Unordnung hervorgerufen hatte, und verstand, daß sie, das kleine Mädchen, sehen sollte, was sie sah: Kiras Reichtum und Herrlichkeit.
Denn nun begann die Sultana zu erklären.
Diesen Tscheprast bekam sie von Soliman, als der Tag ihrer Hochzeit mit ihm sich zum erstenmal jährte - jenes Diadem bei der Geburt ihres ältesten Sohnes ...
Es war alles wohl berechnet gewesen. Nur daß sie jetzt weinen mußte - daran hatte sie nicht gedacht.
Und Kira weinte. Roxelane aber kniete vor ihr und streichelte die Hände der Mutter, die ihre Söhne verloren hatte. Dies Schicksal war
schwerer als das der Saffieje, die ihren Mustafa behielt, und diesen Schmerz hatte Roxelane nicht verschuldet.
Kira Sultana umschlang sie.
„Die im Alten Serail“, schluchzte sie, „haben mich verdrängt. Sie haben mir die Liebe unseres Herrn gestohlen! Und auch Sie werden sie verdrängen wollen. Sie müssen sich wehren, hören Sie, besser als ich es konnte. Sie sollen mich rächen, indem Sie sich behaupten! Und wir müssen Freundinnen werden, wollen Sie?“
Als die beiden Damen dann zurückkehrten, bemerkte niemand an Ihrer
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