Roxelane
Hoheit etwas von verweinten Augen.
Vielleicht würde sie von Soliman andere Kinder haben, dachte sie, und ihr Denken bewies, wie wenig sie von Roxelane wußte. Sie sei nicht wie Saffieje verstoßen, war jedoch Kiras Meinung. Immer noch sei sie Solimans Frau und im Neuen Serail, und die Gebote des Korans werde der Kaiser niemals verletzen. Wenigstens in den Nächten des heiligen Freitags gehöre er ihr, seiner nunmehr einzigen Sultana, tröstete sie sich voll Hoffnung.
Denn sie war wohl bereit zu teilen, aber keineswegs bereit, auf ihren Anteil an Soliman zu verzichten.
Eins aber blieb von Kiras Herzenserguß: eine große Vertrautheit zwischen ihr und Roxelane. Und als nun die Mädchen des Gefolges vor den Herrinnen sangen und tanzten, ergab es sich von selbst, daß Kira die Vorzüge jeder einzelnen pries. Roxelane möge sich nur aussuchen, welche sie wolle, sagte Ihre Hoheit, sie, die Sultana schenke sie ihr.
Roxelanes bescheidene Ablehnung ließ Kira nicht gelten. Vielmehr lud sie ihren Gast ins Bad ein, wobei Roxelane die Mädchen zugleich auch nackt sehen und um so besser ihre Wahl treffen könne. Überhaupt ließ Kira Sultana es an Höflichkeit gegen Roxelane nicht fehlen, und so gestand sie ihr auch die Ehren der Wohlgerüche zu. Zum Abschied wurde die Geehrte von knienden Mädchen damit bestäubt, bis schließlich eine Umarmung und ein Kuß den Besuch beendeten.
Für Dede Semids Eifersucht war es die höchste Zeit. Dennoch konnte auch sie sich nicht verhehlen, welch unschätzbarer Vorteil darin liege,
daß eine richtige Sultana durch ihre ehrenvolle Einladung den Familienbann um Roxelane gebrochen habe.
Die Macht der Walide mochte groß sein; aber im Neuen Serail, dem Sitz der Herrschaft, hatte sie künftig mit Widerständen zu rechnen, und das sollte sich noch als recht unangenehm für sie heraussteilen, weil Kira Sultanas Beispiel nicht allein blieb.
17
Es war wenige Tage nach jenem sechzehnten Juni, an dem sich Soliman ins Feld begeben hatte. Der ganze Vormittagsglanz eines Sonnentages lag über dem Marmarameer, einem Haarwuschel und einem Boot.
Im Boot saßen, hübsch bis zum Kinn hinauf in ihre Kleider gehüllt, zwei Mädchen und stritten sich. Denn Nino, die eine, die auf einer griechischen Insel groß geworden war, heischte für ihre Kunst des Bootlenkens und Ruderns Bewunderung, und die wurde ihr von ihrer Gefährtin nicht willig genug gezollt.
Außerdem befanden sich im Boot noch ein Laken, einige Tücher, eine Hose, ein Hemd und anderes.
Der Haarwuschel aber war ein weibliches Wesen und schwamm weit voraus.
Und ihm gehörten auch die einer Dame so notwendigen Kleider im Boot.
Wenigstens hielten die Mädchen sie für notwendig, und Dede Semid war derselben Meinung und überdies jede, die mit dieser Sache zu tun hatte und nicht gefragt worden war.
Aber Roxelane war nun einmal in den gegenwärtigen heißen Tagen die barbarische Lust nach einem Bad im Freien angekommen, ein Gelüste, durch das sie das Erstaunen aller Gutgesinnten ihrer Umgebung erregt hatte.
Besaß die Herrin nicht Wannen genug in ihrem Palais? Gab es nicht außerdem zwei hallenweite herrliche Dampfbäder im Harem, in die sie mit ihren Mädchen hätte gehen und wo sie sich außerdem noch mit Kira Sultana hätte treffen können? Fehlte es, wenn sie des Harems überdrüssig geworden war, etwa an Moscheen in Konstantinopel, zu denen fromme Gemüter ebenfalls derartige Bäder gestiftet hatten? Und wenn sie durchaus wie die Frau eines Lastträgers oder Wasserverkäufers ins Meer steigen mußte - konnte sie dann nicht wenigstens wie alle andern bis zum August warten, um in einem langen Gewand unter angstvoll fröhlichem Kreischen auf eine mehr frauenhafte Weise ins Wasser zu gehen?
Das alles freilich hätte Roxelane tun können. Aber sie war weder auf marmorne Becken noch auf Dampfhallen und Fontänen aus gewesen, sondern eben nur aufs Schwimmen. Genau so wollte sie wieder einmal schwimmen, wie sie das im Dnepr getan hatte, und daß sie das nicht im langen Hemd bewerkstelligen konnte, war klar. Ebenso gewiß war aber auch, daß ihr die Gegenwart von Eunuchen bei dieser Extravaganz nicht beliebt hatte, weswegen denn die Mädchen mitgenommen worden waren.
Und überhaupt: so sei die Herrin nun, einigten sich die beiden Fräulein, manchmal müsse man geradezu denken, sie halte es mehr mit den ungeschliffenen Sitten des Westens, während sie in Wahrheit doch eine gebildete türkische Dame sei. Zum Baden freilich solle sich dem
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