Roxelane
Vernehmen nach in Italien oder Deutschland oder sonstwo weit dahinten niemand von diesen Unsauberen jemals verstehen. Wogegen nach den Berichten wiederum Karl der Fünfte, den die Abendländer einen Kaiser und die Hohe Pforte König von Spanien nennen, unter dem Vortritt einer Reihe hübscher Mädchen in seine Stadt Antwerpen eingezogen sei, alles Töchter der ersten Familien und genau so pudelnackt, wie man sich im Dampfbad bewege und wie die Herrin da vorne schwimme. Und aus diesem Grunde kam Roxelanes weibliches Ehrengeleit zu der Überzeugung, jene schrecklichen Antwerpener Mädchen müssen vorher doch wohl gebadet gewesen sein. Wie denn allerdings die Leute im nordischen Flamland nicht ganz so armselig seien wie sonst die Ungläubigen und daher, worüber man genaue Nachrichten habe, auch baden. Selbst hierbei jedoch zeige sich einmal wieder die ganze ungläubige Natur dieser Menschen;
denn dort baden Männer und Frauen gemeinsam, was eine große Schande sei.
Doch nun blitzten voraus weiße Arme und Beine auf, die in übermütiger Lust das funkelnde Wasser zerschäumten.
Und kurz darauf war Roxelane völlig verschwunden, und die Mädchen hielten den Atem an, bis sie die Herrin ganz woanders wieder auftauchen sahen.
Nach der fast zweistündigen Fahrt in einem schön geschnitzten, aber reichlich harten Wagenkasten hätten ihr die jungen Damen den freien Gebrauch der Glieder auch gönnen dürfen. Denn wohl hing so ein Kasten an breiten Ledergurten im Fahrgestell; aber um alle Unebenheiten der Wege abzufedern, reichten die Gurte leider nicht aus.
Darum waren die wenigen dienenden Eunuchen, die man mitgenommen hatte, sehr zufrieden, daß sie nicht weiter benötigt wurden, weil sie nun so tun konnten, als bewachten sie die Wagen.
In ihrer reichen Vergoldung waren die Fahrzeuge im Vergleich zu dem bescheidenen Landhaus, vor dem sie hielten, auch eine Kostbarkeit.
Aber das gartenlose Haus, das unmittelbar an einen Streifen eingezäunten Seestrandes stieß, gehörte Dede Semid!
Sie hatte schon immer ein kleines Kapital besessen, dessen Grundstock die dreihundert Dukaten gewesen waren, die ihr der Padischah zur Hochzeit hatte reichen lassen. Nach der Hinrichtung ihres Gatten war es ihr dann trotz allem Unglück als eine der Segnungen des Islams erschienen, daß die Männer auf keine Weise den Besitz oder auch nur die Verwaltung dessen erlangen konnten, was ihren Frauen gehörte.
Kein Mensch hatte also daran gedacht, ihr Vermögen anzutasten. Und dieser ursprünglich so geringe Besitz war inzwischen durch ihr aufgebessertes Haremsgehalt und durch wohlüberlegte Spekulationen ganz hübsch angewachsen.
Alles mußte bei Dede Semid Gewinn abwerfen, nur ihr kleines Landhaus machte eine Ausnahme. Es war gewissermaßen ihr einziger Luxus.
Hierhin zog sie sich zurück, wenn der Dienst im Harem ihr einige Ruhetage vergönnte. Hier empfing sie ihre Söhne, die Palastpagen, einen Fünfzehn- und einen Siebzehnjährigen, so oft die beiden Urlaub hatten. Und dieses ihr kleines Königreich der Herrin zur Verfügung zu stellen, war Dede Semid eine Genugtuung gewesen. Größere Schwierigkeiten waren für sie nicht damit verknüpft gewesen, weil die Intendanz der kaiserlichen Küche und das Erste Stallmeisteramt für Verpflegung und Beförderung aufzukommen hatten. Dagegen hoffte Dede Semid sehr, durch diesen Ausflug einen geheimen Plan, den sie in bezug auf ihre Herrin hegte, verwirklichen zu können.
Für ihre Ungeduld mußte sie freilich viel zu lange auf das ersehnte Zeichen warten. Schließlich aber wirbelte an der nächsten Wegbiegung doch der Staub auf, und inmitten dieser Wolke näherte sich auf der abschüssigen Straße rasch ein Gefährt. Es war den Karossen, in denen Roxelane mit ihrer Begleitung gekommen war, ziemlich ähnlich, und das war auch nicht weiter verwunderlich, weil es ebenfalls zum kaiserlichen Marstall gehörte.
Und nun erkannte Dede Semid alle Einzelheiten: was da kam, war ein Wagen aus dem Alten Serail.
Das geschah zu derselben Zeit, als Roxelane wieder ins Boot kletterte, wobei Nino ihre Überlegenheit über die kreischende Gefährtin bewies. Nino wußte genau, wie weit sich ein Boot dabei auf die Seite legen durfte, und schlug gelassen ein Laken um die einsteigende Herrin.
Es sei gefährlich kalt, meinte aber die andere, um zu zeigen, daß sie auch noch da sei, und die Herrin werde sich den Tod holen, wenn sie nicht sofort etwas Warmes anbekäme. Roxelane lachte nur.
Das Fräulein habe ja keine
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