Roxelane
Stärke Zusammenhalte.
In dieser Stimmung bereiteten sie sich, die Ehrung, die in der Walide allen widerfuhr, wie den Duft eines ihnen wohlgefälligen Opfers sich in die gepuderten Nasen steigen zu lassen.
Nur Dschanfeda Sultana empfand anders.
Sie war recht verdrossen.
Soliman hatte ihren Mustafa zum Statthalter von Ägypten gemacht, was soviel bedeutete, daß ihr Gatte nicht mit den andern zurückkehren, sondern auch weiterhin in Kairo residieren würde. Auf den Gedanken jedoch, nun ebenfalls an den Nil zu ziehen - darauf kam Dschanfeda gar nicht erst. Es wäre ihr nie eingefallen, ihre Mutter, den Hof, ihre Freundinnen, ihr Serail und Konstantinopel, diese Hauptstadt der Welt, zu verlassen. Mochte es immerhin andere Städte und Länder geben, was sich schließlich ja nicht leugnen ließ; aber diese Länder und Städte waren nichts für Dschanfeda.
Um so mehr gehörte ihr Mustafa Pascha.
Und sie war nicht gesonnen, sich in ihrem Eigentum verkürzen zu lassen, auch nicht von Soliman, den bei seiner Rückkehr noch ein schwerer Strauß mit seiner Schwester erwartete.
Dennoch war auch sie sich jederzeit darüber klar, was ihr, der Tochter und Schwester von Kaisern, oblag, und als sie den silbernen Stab hörte, den der einführende Zeremonienmeister mit jedem Schritt auf den Boden stieß, umgab sie sich sofort mit jener Undurchdringlichkeit, die man ihr anerzogen hatte.
In beiden breiten Flügeln öffnete sich weit die Tür.
Und dann strömte sie herein, diese Horde von unverschnittenen bärtigen Männern.
Bis an die letzte Grenze des Harems drangen diese Geschöpfe, die aus viel gröberem Stoff bestanden, als es die äußerst verfeinerte und gestutzte Männlichkeit war, an die sich die Damen bei ihren Eunuchen gewöhnt hatten.
Bewußt freilich wurden die Gegensätze nur der Walide. Allen andern blieben sie ein leises Erklingen, das sie nie zu tieferen Erkenntnissen vorstoßen ließ.
Für Hafsa Chatun jedoch, der gescheiten Frau, gab es kein einfaches: ,Es ist so.‘
Von Anfang an hatte sie geahnt, daß sich hinter der Verschneidung von Jünglingen mehr verberge als nur eine Maßnahme zur Reinerhaltung des Bluts und daß der Akt durch diese ihm unterlegte Zweckmäßigkeit nur aller Mystik beraubt worden sei. Denn über den Gedanken, daß der Mensch die Macht haben solle, durch einen Messerschnitt alle Geschlechtsempfindungen auszulöschen, die von Allah gegeben seien - über diesen Gedanken hatte sie stets nur gelächelt. Das sei eine gesellschaftliche Lüge, dachte sie, wie die, daß sie dank dem Schleier in der Saalmitte nicht gesehen werden könne. Auch Ferhad Pascha fügte sich dieser Lüge und ließ sich erst vom Lala die Richtung weisen, bevor er sich so tief vor seiner Schwiegermutter verneigte, bis er mit der Rechten den Teppich berührte.
Ferhad Pascha sei ein Mann, sagte sich die Walide, das sehe man. Aber darum werde er nur gröber, doch nicht anders empfinden als irgendein Eunuch auch. Und trotzdem ihr jede Erfahrung fehlte, welche Erscheinungen sich wohl bei den Kindern zeigen mögen, die der römische Papst, um Sopransänger für seine Kapelle zu gewinnen, bereits vor der Geschlechtsreife verschneiden lasse — so konnte das an ihrer Überzeugung nichts ändern. Nur daß sie die gottesdienstliche Verwendung der päpstlichen Eunuchen trotz deren Ungläubigkeit als etwas auffaßte, das ihnen ihre Weihe gebe, während man sie den türkischen Eunuchen genommen habe.
An dem Vorgehen des Papstes aber fand sie nichts zu tadeln. Denn da Paulus, wie sie in der Vulgata gelesen hatte, den Frauen in der Kirche zu schweigen gebiete, so bleibe gar nichts anderes als die Verschneidung von Knaben übrig, um den Kirchengesang nicht zu kurz kommen zu lassen. Was für Christen auch nichts Bedenkliches habe.
Sagte doch der Prophet Jesus, der Sohn der Maria, nach dem Evangelisten Matthäus:
„Es gibt Eunuchen, die es vom Mutterleib an sind. Und es gibt welche, die wurden von Menschen gemacht. Andere jedoch verschnitten sich selbst um des Himmelreichs willen. Das aber sage ich nur denen, die es verstehen.“
In diesem Bibelwort glaubte Hafsa Chatun den Schlüssel zu den Gepflogenheiten des christlichen Byzanz gefunden zu haben.
Keine Harems waren in Byzanz zu bewachen gewesen. Dennoch hatte es genug Jünglinge gegeben, die durch ihre Eltern entmannt worden waren, und ebenso auch Männer, die sich aus freien Stücken dasselbe Schicksal erwählt hatten.
Außer dem Kaiserthron - und auch der nur nach einem
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