Roxelane
dir das vergessen und immer, immer werde ich alles tun, was du willst. Allah sei Preis in dir, du Liebe!“
Dabei war der Satz, der das alles bewirkte, nicht einmal sehr lang. Er lautete:
„Nachdem somit das Gestirn des Sieges seinen Scheitelpunkt erreichte, beschlossen Wir in Ausübung der Werke des Friedens und des Gedeihens Unserer geliebten Schwester, der erlauchten Esma Sultana Khan, unserer Erhabenen Mutter jüngsten Tochter, die da voranleuchtet den Jungfrauen in der Krone ihrer Tugenden, Unseren Lieben und Getreuen, den Oberstfalkonier Unseres Serails, Ibrahim Bey, zum Manne zu geben ...“
Je länger der Lala las, um so eisiger wurde es um Saffieje, und als er geendet hatte, war sie wie aus Stein.
Mit keinem einzigen armen Satz hatte der Brief sie erwähnt.
Es ließ sich nicht leugnen: die Gesandtschaft war eine höchst glänzende, sehr ehrenvolle ... Niederlage für das Alte Serail.
20
„Ich hätte Soliman zuvorkommen müssen“, war der Walide Meinung. - Die öffentliche Audienz war bereits vorüber, und Hafsa Chatun befand sich mit ihrer Tochter Tamara in einem der inneren Gemächer.
„Aber wer hätte das voraussehen können“, fügte sie hinzu. „Soliman schien so gar nicht an Esmas Verheiratung zu denken. Ich selbst mußte ihn erst daran erinnern.“
Davon, wie Solimans Entschließung etwa abzuändern sei, sprach sie nicht. Wäre Hafsa Chatun mit ihrem Vorschlag zuerst hervorgetreten, so hätte Soliman sich möglicherweise gescheut, der Öffentlichkeit das Beispiel eines ungehorsamen Sohnes zu bieten. Jetzt aber war sie überrumpelt worden. Der Kaiser hatte feierlich seinen Willen kundgegeben - die Autorität der Majestät stand auf dem Spiel und damit die Autorität der ganzen Familie.
Daß Esma diesen Ibrahim heiraten müsse, war den beiden Damen also klar.
„Natürlich hat er dem Bruder so lange in den Ohren gelegen .. wollte Tamara anfangen.
Aber ihre Mutter unterbrach sie.
„Das glaube ich nicht“, sagte Hafsa. „Dieser Mensch hat Solimans Ohr, und bis jetzt konnte er tun und lassen, was er wollte. Er ist jung - folglich wird er seine Freiheit lieben. Warum also hätte er wünschen sollen, Esma zu heiraten?“
„Es ist immerhin eine Ehre“, warf Tamara hochmütig ein.
Ihre Mutter hatte jedoch genug Erfahrungen im Leben gesammelt, um hierüber nur zu lächeln. „Es ist eine Ehre“, entgegnete sie, „die Ibrahim verbietet, noch irgendwelche Beziehungen zu andern Frauen zu unterhalten. Und er ist jung! Vergiß das nicht.“
„Ferhad ist auch jung!“ ärgerte sich Tamara; denn der Mutter Lächeln betraf auch sie.
„Eben das meine ich“, nickte Hafsa Chatun.
„Was wollen Sie damit sagen, meine Mutter?“ forderte Tamara sie heraus. „Glauben Sie wirklich an das Geschwätz über Ferhad?“ „Ferhad war sehr lange von dir getrennt“, erklärte die Walide sanft. „Doch ist nichts bewiesen. Durchaus nicht!“
Tamaras Eifersucht zu schüren lag der Walide völlig fern. Schließ lich war Ferhad Pascha der Vater ihrer Enkelinnen. Und wenn sie den Wert eines Mannes auch nicht allzu hoch anschlug, so hatte sie doch sehr deutliche Vorstellungen von den Schwierigkeiten, die es machen würde, für ihre stets unruhige Tochter einen neuen Gatten zu finden. Ein drittes Wesen im Zimmer kam der Walide zu Hilfe und lenkte das Gespräch wieder auf Ibrahim.
„Vielleicht...“, kam es von unten, „vielleicht ist für Ibrahim, unser neues Söhnchen, der Verzicht auf Frauen gar kein so großes Opfer?“
„Ich habe nie gehört, daß er ein Trunkenbold sei“, meinte Tamara. „Das nicht! Aber vielleicht ist er ein Hengst, der sich aus der rossigsten Stute nichts macht.“
Dieser etwas allzu türkische Vergleich kam aus einem Kopf, der auf einem Zwergenkörper am Boden hockte. Jedenfalls war dieser Zwerg mehr Kopf als alles andere, ein Kopf mit dem gescheiten glattrasierten Gesicht eines weißen Eunuchen.
Es war Kulka, der die Freiheiten eines Hofnarren genoß, aber in Wirklichkeit mehr der geheime Rat der Walide war.
Kulka hatte eine Vermutung ausgesprochen, die den Frauen seit langem nachging, die sie jedoch Solimans wegen mit äußerster Vorsicht behandelten.
Hafsa Chatun war es natürlich bekannt, wie viele Männer der Knabenliebe und allem, was damit zusammenhing, ergeben waren, und wie alle Frauen neigte sie in diesem Punkt keineswegs zur Nachsicht. „Ibrahim ist ein lasterhafter Mensch“, seufzte sie; „aber wir wissen ebensowenig über ihn wie über Ferhad.“
Und
Weitere Kostenlose Bücher