Roxelane
wie fremd und undurchsichtig sich das alles doch ausnehme, dachte sie dabei, und um wieviel bildsamer und überlegener im Vergleich zu diesen unverschnittenen Männern, die im Schmuck ihrer Bärte wie Pfauen ihr Rad schlagen, sich doch Eunuchen erweisen!
Die unbeirrbare Klarheit dieser glattgeschabten und gepflegten Wesen könne man einfach nicht erschüttern. Kaum jemals laufe ein Verschnittener den Knaben nach, statt sich weiblicher Schönheit zu erfreuen.
Hafsa Chatun liebte ihre Schönheit. Abgesehen vom Neid der Frauen aber, hatte sie sich stets weit mehr als durch männliche Begierde durch die kennerische Bewunderung ihrer Eunuchen gehoben gefühlt, und zwar in solchem Grade, daß sie überhaupt die Verkürzten im Grunde als das Gegebene empfand.
Doch hier handelte es sich nicht um sie, sondern um ihre Töchter und um ihren Sohn.
Und da bezichtigte man Ferhad, andere Frauen an dem teilnehmen zu lassen, was einzig und allein seiner Herrin Tamara gehörte, und Ibrahim warf man eine unlautere Neigung zu Soliman vor.
Den Söhnen der Familie Osman waren derartige Gewohnheiten auch durchaus nicht fremd. Der Eroberer hatte selten verziehen: niemals jedoch das Verbrechen, ihm einen hübschen Jüngling vorenthalten zu haben. Und dennoch! Das könne nicht sein, entschied Hafsa
Chatun. Bei Soliman habe niemand dergleichen Regungen wahrgenommen. Dagegen war Esmas Heirat eine unbestreitbare Tatsache. „Je mehr ich über die neue Lage nachdenke“, sagte Hafsa, „um so mehr finde ich, daß sie auch viele Vorteile bietet“, um dann in ihrer Überzeugung, jeder Mann bedürfe weiblicher Leitung, fortzufahren: „Bis jetzt war uns Ibrahim Bey ziemlich entrückt. Er konnte vieles tun, wovon wir nie etwas erfuhren. Und das galt damit auch von Soliman ... wie wir leider heute sehen konnten. Heiratet Esma aber Ibrahim, so wird er uns kaum noch etwas verbergen können, nicht einmal seine Gedanken.“
„Falls unsere kleine Esma nicht zu sehr deine Tochter ist, Base Hafsa“, ließ Kulka einfließen; denn er hatte das Mißtrauen der Zwerge.
Hafsa und Tamara sahen auf.
„Blickt nicht so verstört, meine Reizenden“, kicherte Kulka. „Könnt ihr euch nicht vorstellen, daß Esmas Heirat für jemand andern noch viel vorteilhafter ist als für Allerhöchst uns? Von dir, meine ewig schöne Base, ging der Vorschlag wenigstens nicht aus.“ „Wahrscheinlich ging er von niemand aus“, fiel Tamara ein. „Du weißt doch, Kulka, wie vernarrt der Bruder in diesen Griechen ist!“ „Möglich!“ gab Kulka zu. „Vielleicht haben wir es hier mit einer freien Entschließung des Höchst Erhabenen zu tun. Falls nämlich Höchst Erhabene überhaupt freie Entschlüsse fassen können. Aber sie können es nicht, meine Taube! Auch unser erhabener Sohn Soliman kann es nicht. Und darum sitzt hier das Häkchen. - Fragt sich nur, wer es ist?“
„Nun?“ drängte Tamara.
„Immer wer gewinnt!“
„Also wir!“ sagte Tamara.
„Oder ... der rothaarige Bastard im Neuen Serail!“ sagte Kulka. „Roxelane?!“
„Ja, sie, meine kleine Smaragdeidechse! Geruht dein kaiserlich umhegtes Gehirnchen sich endlich der Weisheit zu bequemen?“
„Sag deine Weisheit, Zwerg!“
„Sie - ich meine die Mißgeburt! - teilt Solimans Neigung mit dem
Griechen. Frage dich selbst, mein Schmetterling, was würdest du
tun?“
„Ich würde Ibrahim wegschaffen! “
„Was haben wir doch für eine kluge Tochter! nicht wahr, Base Hafsa?“ Vor Bewunderung küßte Kulka seine eigenen Fingerspitzen. „ ,Ich würde Ibrahim wegschaffen!' Einfach und groß! - Da das aber bei Soliman nicht zu erreichen wäre, sah sich deine Rotzka gezwungen“, berichtigte er dann, „wenigstens das Übergewicht zu erlangen.“
„Was sie und Ibrahim zu Feinden machen muß!“
„Warum, mein Töchterchen? Den Schwächeren braucht man nicht zu hassen. Wessen Tun man aber kennt, während man sich selbst im Verborgenen halten kann, ist immer der Schwächere.“
„Also zuvorgekommen?“ mischte die Walide sich jetzt ein. „Und durch Esma .. .?“
„Ausgeschlossen!“ rief Tamara.
Hafsa Chatun jedoch war nachdenklich geworden.
„Meine Tochter Esma und diese Roxelane ...“, sann sie.
„Vielleicht hat unsere Tochter Esma“, gab Kulka zu bedenken, „ihre eigenen Ansichten über das, was sie im Bett haben will.“
„Seit Roxelane nicht mehr im Alten Serail ist“, wehrte sich die Walide, „hat Esma sie nicht wieder gesehen!“
„Was wissen wir, liebe Base!“ seufzte
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