Roxelane
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Trotz der Riesenverluste der entvölkerten deutschen Ostmarken war die Standhaftigkeit Wiens für Karl ein Triumph gewesen, der noch dazu mit einem andern zusammengefallen war: mit dem Sacco di Roma, mit der Eroberung Roms durch Karls deutsche ,frommen Landsknechte' und seine spanischen Infanteristen.
Diese biederen und erfahrenen Männer waren mit Rom nicht anders verfahren als Solimans Renner und Brenner am Semmering. In wenigen Tagen hatten Karls Truppen das ewige Rom von siebzigtausend Einwohnern auf dreißigtausend heruntergebracht, und auch bei Karls kriegerischen Haufen hatte der Handel mit schönen Mädchen geblüht.
Wien gehalten und Rom genommen - es war die Stunde gewesen, in der es der Welt den Atem verschlagen hatte.
Ohne äußere Schwierigkeiten wäre es Karl nach seinem Sieg über Frankreich und den Papst möglich gewesen, Rom zu seiner Hauptstadt, den widerspenstigen Oberhirten zu seinem Erzkaplan und das abendländische Kaiserreich zur Wirklichkeit zu machen.
Karl jedoch war ein viel zu guter Politiker, um nicht zu wissen, daß keine europäische Nation, weder seine Spanier noch seine Deutschen, und nicht einmal beide Völker zusammen stark genug seien, um Europa mit Gewalt zu einen.
Nicht ganz zu Unrecht verweigerten daher die Kanzleien zu Konstantinopel den Kaisertitel jedem andern Herrscher außer Soliman.
Im weiten Reich des großen Padischahs, des Schahs der Schahs, des alleinigen Khankhans und Khunkiars, nämlich des Kaisers, des Weltherren, wie sich Soliman nannte, lebten zweiunddreißig Völker - aber gegen seinen Willen war jeder andere Rebellion.
Und diese ungeheure Macht lag in den Händen Ibrahims, des immer noch jungen Geigers aus dem Garten bei Magnesia.
Er konnte verdammen und begnadigen, er konnte aus einem Stallknecht einen Wesir machen, er regierte, wo Soliman herrschte.
Und heute war seinem Hause Heil widerfahren.
Jedenfalls sah seine Frau Esma es so an.
Unwandelbar wie Ibrahims Glück war ihre Freundschaft und Verehrung für Roxelane geblieben, die einzige Frau ihres Bruders. Fast war es, als sehe sie Roxelane mit Solimans Augen.
Mit um so leidenschaftlicherer Zärtlichkeit klammerte sie sich an ihre Schwägerin, da ihre Mutter sie als unbotmäßige Tochter verstoßen hatte und ihre Schwestern, besonders Tamara, kaum noch die erforderlichen Höflichkeiten mit ihr austauschten.
Dschanfeda freilich hielt sich nur wegen der Mutter zurück. Hafsa Chatuns älteste Tochter war ganz ohne Tamaras Neid. Erst hatte sie vom Bruder die Rückberufung ihres Mustafas und dann seine Pensionierung erlangt, und nun teilte sie ihn höchstens noch mit der Moschee von Gebise, die der Pascha erbauen ließ. Dschanfeda war mit ihrem Mann und ihren Töchtern viel zu glücklich, um in Wahrheit hassen zu können.
Tamara dagegen hatte wohl auch Töchter, aber keinen Mann mehr. Den hatte dasselbe Schicksal getroffen wie Achmed Pascha.
Achmed Paschas wegen grollte die Sultanin-Mutter heute noch ihrer Jüngsten, die ihn hätte heiraten sollen. Und doch hatte der Ehrgeizling Achmed über seinen Aufstand in Ägypten längst das Leben verloren, während Ferhad Paschas Kopf um weit Kleinlicheres auf das Blutleder gerollt war.
Seine Erpressungen und Grausamkeiten in Kleinasien hatte Soliman auf Verwendung der Mutter und Schwester dem Schwager noch verziehen. Dafür war Ferhad freilich, wenn auch mit sehr erhöhtem Einkommen, nach Semendria an der Donau versetzt worden. Er hatte keine Veranlassung zu Erpressungen mehr haben und unter den Augen seines Herrn sein sollen.
Als dann aber trotzdem dieselben Klagen wieder eingelaufen waren, hatte auch die Vermittlung der Frauen Ferhad nicht mehr retten können. Und nicht einmal der seidenen Schnur war er gewürdigt worden. Nach gehöriger Untersuchung hatte man ihm auf richterliches Urteil hin den Kopf abgeschlagen.
Der Riß zwischen dem Alten und dem Neuen Serail war dadurch nur noch größer geworden. Denn Roxelane war es gewesen, die sich der Familien der Gemordeten angenommen und das Verfahren gegen Ferhad ins Rollen gebracht hatte.
Esma allerdings, die ganz zum Lager des Neuen Serails gehörte, hatte die Freundin als eine Zuflucht der Bedrängten nur um so lieber gewonnen, und kurz darauf war ihre Bewunderung angesichts von Roxelanes Auftreten beim Janitscharenaufstand grenzenlos geworden. Soliman hatte den Winter in Adrianopel mehr mit der Jagd als im Diwan verbracht. Es waren jene Jagden im mongolischen Stil gewesen, Kriege im kleinen,
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