Roxelane
mit einem Aufgebot von Tausenden. Durch sie war er in den Wäldern an der Marizza festgehalten worden, und auch Roxelane hatte nach Kosakenart und den Mund nur mit einem leichten Schleier bedeckt an diesen Jagden teilgenommen. Doch die Janitscharen waren nun einmal eine furchtbare Truppe. Ohne Familie und ohne Volk waren sie nur dem Islam und dem Padischah verbunden, und gerade ihre Furchtbarkeit verlangte die Gegenwart des Herrschers, wenn sich ihre eiserne Disziplin nicht lockern sollte.
Und Soliman war auf der Jagd gewesen!
Da hatten die Janitscharen ihre Suppenkessel umgeworfen, was das traditionelle Zeichen ihres Unwillens war, hatten den Reis auf den Boden geschüttet und die leeren Kupferkessel, die Sinnbilder ihrer soldatischen Gemeinschaft und Ehre, mit ihren Löffeln geschlagen. Die herrenlosen Höflinge aber waren geflohen, die Frauen in den Harems hatten sich in ihre Kissen verkrochen und die Straßen Konstantinopels sich geleert. Selbst die wilden Hunde waren verschwunden und hier und da schon Brände ausgebrochen - als auf einmal das Gerücht die Stadt durchlief: der Padischah, der schon an den süßen Wassern gewesen sei, befinde sich im Serail.
Esma wußte, daß Roxelane ihn dazu vermocht hatte.
Roxelane hatte auch am Fenster des Diwansaales gestanden, dem ,Auge des Reichs“, das Soliman hatte brechen lassen, um jederzeit ungesehen den Sitzungen beiwohnen und sie überwachen zu können. Denn bis hierher, bis in diesen geheiligten Bezirk hatte sich eine Rotte der Aufrührer vorgewagt.
Hier war ihnen der zürnende Soliman entgegengetreten, hatte mit der Keule der Macht, die mit dem Schild und dem Bogen des Großherrn immer am Thron lag, drei der Frechsten mit eigener kaiserlicher Hand niedergestreckt und dann . . . die Waffen der Empörer auf sich selbst gerichtet gesehen.
Er war so gut wie verloren gewesen. In diesem Augenblick war er nur durch eine Frau, durch seine Frau, durch Roxelane gerettet worden. Ohne sich zu besinnen, hatte sie sich vor den Vater ihrer Kinder geworfen, vor den Mann, den sie liebte. Die Janitscharen aber, die vor nichts einen solchen Respekt hatten wie vor der Tapferkeit, waren vor dieser mutigen Frau und deren ebenso kräftigen wie unverständlichen Schimpfworten vom Dnepr einen Augenblick zurückgewichen. Nur einen Augenblick.
Aber während dieses kurzen Augenblicks hatte Roxelane Soliman in Sicherheit bringen können.
Durch einige Enthauptungen und zahlreiche Soldverkürzungen war die Ruhe dann bald wiederhergestellt worden.
Das alles und vieles andere wußte Esma, und sie gehörte zu den wenigen, die es recht wohl verstanden hatten, daß Soliman bei ihrer eigenen glanzvollen Hochzeit mit Ibrahim auf die Nachricht von Roxelanes dritten Wehen jäh aufgebrochen war.
Seine Eile hatte mehr dem besorgten Gatten als der kaiserlichen Würde entsprochen und gezeigt, daß er in Wahrheit der Mann seiner Frau war und daß er ihr gehörte wie sie ihm.
Am zweiundzwanzigsten Mai des Jahres 1524 war das gewesen.
Am Jahrestag der Eroberung von Konstantinopel hatte Roxelane dem Geliebten zu ihrem ältesten Sohn und ihrer Tochter Mirmah den zweiten Sohn geschenkt. Selim hieß er nach seinem blutigen Großvater. Und Soliman hatte ihr, wie man wissen wollte, auf den Knien gedankt und ihre Hände mit Küssen bedeckt.
Während Roxelanes vierter Niederkunft war Soliman allerdings in Ungarn gewesen. Kurz vor der Schlacht bei Mohacs hatte sie sich ereignet, und an Stelle des Bruders hatte sich Esma bei der Wöchnerin befunden.
Ein einziges Entsetzen war im Köschk Hebetullah gewesen Selbst die Obersthofmeisterin Dede Semid hatte Angst gehabt, der Mutter das Neugeborene zu reichen.
Denn Roxelanes viertes Kind lebte wohl und war sogar ein Knabe; aber . .. der Knabe war mit zwei Buckeln zur Welt gekommen.
Die Mutter jedoch hatte den kleinen Krüppel mit nur um so größerer Zärtlichkeit an ihre Brust gebettet.
Wenn Roxelane liebte, tat sie es mit ihrer ungebrochenen Kraft. So ausschließlich liebte sie Soliman und ebenso liebte sie seine Kinder. In ihnen sollte er leben, er und sie und ihrer beider Liebe.
Der Prinzessin Esma aber waren die Tränen gekommen.
Ob Krüppel oder nicht - ein Kind war geboren worden, doch nicht von ihr. Brennender Neid gegen die Freundin hatte sie erfüllt, und an den eigenen Jungen hatte sie denken müssen, den ihr Allah geschenkt und den ihr die Menschen nicht gelassen hatten.
Dem Dschihangir aber, dem kleinen Krüppel, war bei seinem Eintritt in die
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