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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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»Ich möchte nur, dass ihr nichts passiert. Mit jedem unkontrollierten Zeitsprung vergrößert sich das Risiko.«
    Tante Glenda lachte höhnisch auf. »Das kann niemand ernst nehmen. Das ist nur wieder so ein armseliger Versuch, sich in den Mittelpunkt zu spielen.«
    »Ach, halt den Mund, Glenda! Ich würde nichts lieber tun, als dem Ganzen hier fernbleiben und deiner Charlotte die undankbare Rolle des Forschungsobjekts esoterikbesessener Pseudowissenschaftler und fanatischer Geheimniskrämer zu überlassen! Aber es ist nun mal nicht Charlotte, die dieses verfluchte Gen geerbt hat, sondern Gwendolyn!« Mums Blick war voller Wut und Verachtung. Auch das war für mich eine vollkommen neue Seite an ihr.
    Mr George lachte leise. »Sie haben ja nicht gerade die beste Meinung von uns, Mrs Shepherd.« Mum zuckte mit den Achseln.
    »Nein, nein, nein!« Tante Glenda ließ sich auf einen Bürostuhl fallen. »Ich bin nicht bereit, mir diesen Unsinn länger anzuhören. Sie ist ja noch nicht mal am richtigen Tag geboren. Sie war außerdem eine Frühgeburt!« Das mit der Frühgeburt war ihr offenbar besonders wichtig.
    Mrs Jenkins flüsterte: »Soll ich Ihnen eine Tasse Tee bringen, Mrs Montrose?«
    »Ach, bleiben Sie mir mit Ihrem Tee vom Leib«, fauchte Tante Glenda.
    »Möchte sonst jemand Tee?«
    »Nein danke«, sagte ich.
    Mr George fixierte mich unterdessen wieder mit seinen blassblauen Augen. »Gwendolyn. Du bist also bereits in der Zeit gesprungen?«
    Ich nickte.
    »Und wohin, wenn ich fragen darf?« »Dahin, wo ich gerade stand«, sagte ich.
    Mr George lächelte. »Ich meinte, in welche Zeit du gesprungen bist.«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte ich pampig. »Es stand nirgendwo die Jahreszahl angeschlagen. Und sagen wollte es mir auch niemand. Hören Sie! Ich
will
das nicht! Ich will, dass es wieder aufhört. Können Sie nicht machen, dass es wieder aufhört?«
    Mr George antwortete mir nicht. »Gwendolyn kam zwei Monate vor ihrem errechneten Geburtstermin zur Welt«, sagte er zu niemand Bestimmtem. »Am achten Oktober. Ich habe die Geburtsurkunde und den Eintrag beim Standesamt persönlich überprüft. Und das Kind habe ich auch überprüft.«
    Ich überlegte, was man bei einem Kind wohl überprüfen könnte. Ob es echt war?
    »Sie wurde bereits am Abend des siebten Oktobers geboren«, sagte Mum und jetzt zitterte ihre Stimme etwas. »Wir haben die Hebamme bestochen, die Geburtszeit auf dem Geburtsschein um einige Stunden nach vorn zu verlegen.«
    »Aber
warum?«
Mr George schien das genauso wenig zu verstehen wie ich.
    »Weil... nach allem, was mit Lucy geschehen ist, wollte ich meinem Kind diese Strapazen ersparen. Ich wollte sie beschützen«, sagte Mum. »Und ich hatte gehofft, dass sie vielleicht das Gen gar nicht geerbt hätte, sondern nur zufällig am selben Tag geboren wurde wie die eigentliche Gen-Trägerin. Schließlich hatte Glenda ja Charlotte bekommen, auf der bereits alle Hoffnungen lagen...«
    »Ach, lüg doch nicht!«, rief Tante Glenda. »Das war doch alles Absicht! Dein Baby hätte erst im Dezember geboren werden sollen, aber du hast die Schwangerschaft manipuliert und eine Frühgeburt riskiert, nur damit du am selben Tag entbinden konntest wie ich. Aber das hat nicht geklappt! Deine Tochter wurde einen Tag später geboren. Ich habe ja so gelacht, als ich das gehört habe.«
    »Es müsste ja einigermaßen leicht sein, das zu beweisen«, sagte Mr George.
    »Ich habe den Namen der Hebamme vergessen«, sagte Mum schnell. »Ich weiß nur noch, dass sie Dawn mit Vornamen hieß. Es ist auch vollkommen unwichtig.«
    »Ha«, sagte Tante Glenda. »Das würde ich an deiner Stelle auch sagen.«
    »Wir haben sicher Name und Adresse der Hebamme in unseren Akten.« Mr George drehte sich zu Mrs Jenkins um. »Es ist wichtig, sie ausfindig zu machen.«
    »Das ist unnötig«, sagte Mum. »Sie können diese arme Frau in Ruhe lassen. Sie hat lediglich ein bisschen Geld von uns bekommen.«
    »Wir wollen ihr nur ein paar Fragen stellen«, sagte Mr George. »Bitte, Mrs Jenkins, finden Sie heraus, wo sie heute lebt.«
    »Ich bin schon unterwegs«, sagte Mrs Jenkins und verschwand wieder durch die Nebentür.
    »Wer weiß sonst noch davon?«, fragte Mr George.
    »Nur mein Mann wusste davon«, sagte Mum und nun schwang eine Mischung aus Trotz und Triumph in ihrem Tonfall mit. »Und den können Sie nicht mehr ins Kreuzverhör nehmen. Leider ist er tot.«
    »Ich weiß«, sagte Mr George. »Leukämie, nicht wahr?

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