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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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mir die Zeit, auch den Rest seines Körpers zu betrachten, nicht nur sein hübsches Gesicht. Ich suchte nach etwas, das mir nicht gefiel, damit ich mich, verglichen mit ihm, nicht so unvollkommen fühlen musste. Leider konnte ich nichts finden. Er hatte weder (vom Polospielen!) krumme Beine noch zu lange Arme oder angewachsene Ohrläppchen (was, wie Leslie behauptete, ein Zeichen für einen geizigen Charakter gewesen wäre). Es war unnachahmlich cool, wie er jetzt mit seinem Hintern gegen den Schreibtisch lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.
    Blieben nur noch die beinahe schulterlangen Haare, die ich doof finden konnte. Dummerweise gelang mir nicht mal das. Es waren so gesunde, glänzende Haare, dass ich mich unwillkürlich fragte, wie sie sich wohl anfühlen mochten.
    So viel gutes Aussehen verschwendet, es war ein Jammer.
    »Es ist alles vorbereitet«, sagte Mr George und zwinkerte mir zu. »Die Zeitmaschine ist startklar.«
    Robert, der Geistjunge, winkte mir schüchtern zu. Ich winkte zurück.
    »Da sind wir also nun vollständig«, sagte Mr de Villiers. »Das heißt: Glenda und Charlotte mussten sich leider verabschieden. Sie lassen aber alle herzlich grüßen.«
    »Ja, darauf wette ich«, sagte Dr. White.
    »Das arme Mädchen! Zwei Tage lang diese Phantomschmerzen, das war sicher kein Vergnügen«, sagte Mr George und verzog mitleidig sein rundes Gesicht.
    »Und dazu diese Mutter«, murmelte Dr. White, während er in dem Aktenordner blätterte, den Mrs Jenkins mitgebracht hatte. »Wirklich gestraft, das arme Kind.«
    »Mrs Jenkins, wie weit ist Madame Rossini mit Gwendolyns Garderobe?«
    »Sie hat ja gerade erst. . . Ich werde nachfragen.« Mrs Jenkins huschte wieder durch die Tür.
    Mr George rieb sich tatendurstig die Hände. »Dann also kann es jetzt losgehen.«
    »Aber Sie werden sie nicht in Gefahr bringen, nicht wahr?«, sagte Mum, an Mr George gewandt. »Sie werden sie aus dieser Sache raushalten.«
    »Allerdings werden wir sie da raushalten«, sagte Gideon.
    »Wir werden alles tun, um Gwendolyn zu schützen«, versicherte Mr George.
    »Wir können sie da nicht raushalten, Grace«, sagte Mr de Villiers. »Sie ist ein Teil
dieser Sache.
Das hätte dir vorher klar sein müssen. Bevor du dein dummes Versteckspiel begonnen hast.«
    »Aber dank Ihnen ist das Mädchen wenigstens vollkommen unvorbereitet und unwissend«, sagte Dr. White. »Was unsere Mission natürlich erheblich erschweren wird. Aber wahrscheinlich war genau das Ihre Absicht.«
    »Meine Absicht war, Gwendolyn nicht in Gefahr zu bringen«, sagte Mum.
    »Ich bin allein schon sehr weit gekommen«, sagte Gideon. »Ich kann es auch allein zu Ende bringen.«
    »Genau das habe ich gehofft«, sagte Mum.
    Ich kann das auch allein zu Ende bringen.
Meine Güte! Ich unterdrückte nur mit Mühe ein Kichern. Das klang ja wie in einem dieser bescheuerten Action-Filme, in denen ein melancholisch dreinblickender Muskelprotz die Welt rettet, indem er mutterseelenallein gegen eine hundertzwanzigköpfige Ninja-Kampftruppe, eine Flotte feindlicher Raumschiffe oder ein ganzes Dorf voller bis unter die Zähne bewaffneter Gesetzloser kämpft.
    »Wir werden sehen, für welche Aufgaben sie sich vielleicht eignet«, sagte Mr de Villiers.
    »Wir haben ihr Blut«, sagte Gideon. »Mehr brauchen wir nicht von ihr. Sie kann von mir aus jeden Tag herkommen und elapsieren - und alle sind zufrieden.«
    Wie bitte?
Elapsieren?
Es klang wie einer der Begriffe, mit denen Mr Whitman uns im Englischunterricht zu verwirren pflegte.
»Im Prinzip kein schlechter Interpretationsansatz, Gordon, aber das nächste Mal ein wenig elaborierter, bitte.«
Oder war es
elapsierter
gewesen? Egal, weder Gordon noch ich noch der Rest der Klasse hatten jemals etwas davon gehört. Außer Charlotte natürlich.
    Mr George bemerkte meine verwirrte Miene. »Unter
Elapsieren
verstehen wir ein gezieltes Anzapfen deines Zeitsprungkontingentes, in dem wir dich mit dem Chronografen für ein paar Stunden in die Vergangenheit schicken. Auf diese Weise verhindern wir unkontrollierte Zeitsprünge.« Er wandte sich an die anderen. »Ich bin sicher, im Laufe der Zeit wird Gwendolyn uns alle mit ihrem Potenzial überraschen. Sie . . .«
    »Sie ist ein
Kind!«,
fiel Gideon ihm ins Wort. »Sie hat von nichts eine Ahnung.«
    Ich wurde rot. Was war denn das für eine Frechheit? Und wie verächtlich er mich anschaute. Dieser blöde, eingebildete ...
Polospieler!
    »Gar nicht wahr«, sagte ich. Ich war kein Kind!

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