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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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anstelle von Hut.) »An deiner Haut müssen wir nichts machen. Die ist ja der reinste Alabaster. Und dieser hübsche halbmondförmige Fleck an der Schläfe kann ohne Weiteres als Schönheitspflästerchen durchgehen. Tres chic.«
    Madame Rossini drehte meine Haare auf Heißwickler, anschließend steckte sie die Vorderpartie geschickt mit Haarnadeln auf dem Scheitel fest und ließ die anderen Haare in weichen Locken über die Schultern fallen. Ich schaute mich im Spiegel an und bewunderte mich selber.
    Ich musste an die Kostümparty im letzten Jahr denken, die Cynthia gegeben hatte. Ich war in Ermangelung eines besseren Einfalls als Bushaltestelle gegangen und hätte am Ende des Abends am liebsten mit meinem Schild um mich geschlagen, weil jeder mich nach dem Fahrplan fragte.
    Hah! Wenn ich damals schon Madame Rossini gekannt hätte! Ich wäre der Star des Abends gewesen!
    Ich drehte mich noch einmal ganz verzückt vor dem Spiegel, aber damit war Schluss, als Madame Rossini wieder hinter mich trat und mir den »Ott« aufsetzte. Er war ein riesiges Ungetüm aus Stroh mit Federn und blauen Bändern und ich fand, er machte die ganze Aufmachung wieder zunichte. Ich versuchte, Madame Rossini zu überreden, ihn wegzulassen, aber sie blieb unerbittlich.
    »Ohne Hut - nein, das wäre unschicklich! Das ist kein Schönheitswettbewerb, ma cherie! Hier geht es um Authentizität.«
    Ich suchte in der Schuluniformjacke nach meinem Handy. »Können Sie wenigstens noch ein Foto von mir machen - ohne Hut?«
    Madame Rossini lachte. »Bien sür, meine Süße!«
    Ich stellte mich in Pose und Madame Rossini schoss mindestens dreißig Fotos von mir, von allen Seiten, einige davon auch mit Hut. Leslie sollte schließlich was zum Lachen haben.
    »So, und jetzt sage ich oben Bescheid, dass du reisefertig bist. Warte hier und rühr den Hut nicht mehr an! Er sitzt perfekt.«
    »Ja, Madame Rossini«, sagte ich artig. Kaum hatte sie den Raum verlassen, wählte ich mit fliegenden Fingern Leslies Handynummer und schickte ihr eins von den Hutbildern per SMS. Sie rief vierzehn Sekunden später zurück. Gott sei Dank war der Empfang hier im Nähzimmer von Madame Rossini einwandfrei.
    »Ich sitze im Bus«, schrie Leslie mir ins Ohr. »Aber ich habe Notizbuch und Stift schon gezückt. Du musst nur lauter sprechen, neben mir unterhalten sich zwei schwerhörige Inder, leider nicht in Gebärdensprache!«
    Ich rasselte herunter, was alles passiert war, und versuchte Leslie auf die Schnelle zu erklären, wo ich mich befand und was meine Mum gesagt hatte. Obwohl ich ziemlich durcheinanderredete, schien Leslie mir folgen zu können. Sie sagte immer abwechselnd »abgefahren!« und »sei bloß vorsichtig!«. Als ich ihr Gideon beschrieb (sie wollte jede Einzelheit hören), sagte sie: »So schlimm finde ich lange Haare auch wieder nicht. Es
kann
durchaus sexy aussehen. Denk nur mal an
Ritter aus Leidenschaft.
Aber achte auf seine Ohren.«
    »Es spielt ohnehin keine Rolle. Er ist eingebildet und überheblich. Außerdem ist er in Charlotte verliebt. Hast du
Stein der Weisen
notiert?«
    »Ja, ich habe alles notiert. Sobald ich zu Hause bin, werde ich mich ins Internet stürzen. Der Graf von Saint Germain - warum kommt mir der Name nur so bekannt vor? Könnte es sein, dass ich den aus einem Film kenne? Nein, das ist der Graf von Monte Christo.«
    »Was, wenn er wirklich Gedanken lesen kann?«
    »Dann denkst du einfach an etwas Harmloses. Oder du zählst einfach rückwärts von tausend. Aber in Achterschritten. Dabei kann man nichts anderes denken.«
    »Sie können jeden Augenblick kommen. Ich lege dann einfach auf. Ach, guck doch mal, ob du irgendwas über einen kleinen Jungen namens Robert White herausfinden kannst, der vor achtzehn Jahren in einem Pool ertrunken ist.«
    »Notiert«, sagte Leslie. »Mann, ist das abgefahren. Wir hätten dir ein Springmesser oder Pfefferspray besorgen sollen ... Weißt du, was? Nimm wenigstens das Handy mit.«
    Ich trippelte in meinem Kleid zur Tür und lugte vorsichtig in den Gang hinaus. »In die Vergangenheit? Meinst du, ich könnte dich von dort anrufen?«
    »Quatsch! Aber du kannst Fotos machen, die uns weiterhelfen. Oh, und ich hätte furchtbar gern eins von diesem Gideon. Wenn's geht, mit Ohren. Ohren sagen unheimlich viel über einen Menschen aus. Vor allem die Ohrläppchen.«
    Jetzt waren Schritte zu hören. Ich schloss leise die Tür. »Es ist so weit. Bis später, Leslie.«
    »Sei bloß vorsichtig«, sagte Leslie noch, dann

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