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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Devonshire-Spitzenbesatz, das Mieder bestickter Seidenbrokat.« Madame Rossini breitete die einzelnen Kleidungsstücke vorsichtig auf dem Tisch aus. Nach dem Essen hatte Mrs Jenkins mich wieder zu ihr in die Nähstube gebracht. Ich mochte den kleinen Raum lieber als den steifen Speisesaal, überall lagen diese wunderschönen Stoffe herum und Madame Rossini mit ihrem Schildkrötenhals war vielleicht die Einzige, der selbst meine Mutter kein Misstrauen entgegengebracht hätte. »Alles in gedecktem Blau mit cremefarbenen Verzierungen, ein elegantes Nachmittagsensemble«, fuhr sie fort. »Und dazu die passenden Seidenbrokat-Schuhe. Viel bequemer, als sie aussehen. Glücklicherweise haben du und der Hungerhaken die gleiche Schuhgröße.« Sie legte meine Schuluniform mit spitzen Fingern zur Seite. »Pfui, pfui, pfui, das schönste Mädchen muss darin doch aussehen wie eine Vogelscheuche. Wenn man wenigstens den Rock auf eine modische Länge kürzen dürfte. Ah, und dieses scheußliche Uringelb! Wer sich das ausgedacht hat, muss Schüler wirklich von Herzen hassen!«
    »Kann ich meine Unterwäsche anlassen?«
    »Nur das Höschen«, sagte Madame Rossini. (Es klang nett, wie sie das sagte, in etwa wie 'öschen.) »Ist nicht stilecht, aber es wird dir wohl kaum jemand unter den Rock gucken. Und wenn doch, trittst du ihn am besten, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Diese Schuhe sehen nicht so aus, aber ihre Spitzen sind mit Eisen verstärkt. Auf der Toilette warst du? Es ist wichtig, denn wenn du das Kleid einmal anhast, wird es schwierig werden . . .«
    »Ja, das haben Sie jetzt schon dreimal gefragt, Madame Rossini.«
    »Ich will nur auf Nummer sicher gehen.«
    Ich war immer wieder verblüfft, wie man sich hier um mich kümmerte und welche Kleinigkeiten dabei berücksichtigt wurden. Nach dem Essen hatte Mrs Jenkins mir sogar einen funkelniegelnagelneuen Kulturbeutel überreicht, damit ich mir die Zähne putzen und das Gesicht waschen konnte.
    Ich hatte erwartet, das Korsett würde mir die Luft abschnüren und den Kalbsbraten wieder aus meinem Magen quetschen, aber in Wirklichkeit war es erstaunlich angenehm zu tragen. »Und ich dachte, die Frauen fielen in den Dingern reihenweise in Ohnmacht.«
    »Ja, das taten sie auch. Einmal, weil sie es zu fest schnürten. Und dann war auch die Luft zum Schneiden dick, weil sich niemand wusch und sich alle nur parfümierten«, sagte Madame Rossini und schüttelte sich bei dieser Vorstellung. »In den Perücken wohnten Läuse und Flöhe und ich habe irgendwo gelesen, dass sich manchmal sogar Mäuse darin ihre Nester bauten. Ach, die allerschönste Mode, aber keine gute Zeit für die Hygiene. Du trägst kein Korsett wie diese armen Kreaturen, du trägst eine Sonderanfertigung ä la Madame Rossini, bequem wie eine zweite Haut.«
    »Ach so.« Ich war furchtbar aufgeregt, als ich in das Unterkleid mit dem Reifrock stieg. »Das fühlt sich an, als würde man einen riesigen Vogelkäfig mit sich herumtragen.«
    »Das ist gar nichts«, versicherte mir Madame Rossini, während sie mir vorsichtig das Kleid über den Kopf zog. »Dieser Reifrock ist winzig klein, verglichen mit denen, die zur selben Zeit in Versailles getragen werden. Viereinhalb Meter Umfang, ungelogen. Und deiner ist auch nicht aus Fischbein, sondern aus federleichter Hightech-Kohlefaser. Sieht ja keiner.«
    Um mich herum wogte blassblauer Stoff mit cremefarbenen Blütenranken, der sich auch sehr hübsch als Sofabezug gemacht hätte. Aber ich musste zugeben, dass das Kleid trotz seiner Länge und seines monströsen Umfangs sehr bequem war, und es passte wirklich wie angegossen.
    »Zauberhaft«, sagte Madame Rossini und schob mich vor den Spiegel.
    »Oh!«, sagte ich überrascht. Wer hätte gedacht, dass ein Sofabezug so wunderschön aussehen konnte? Und ich gleich mit. Wie zierlich meine Taille wirkte, wie blau meine Augen. Hach! Nur mein Dekollete sah aus wie das einer Opernsängerin kurz vorm Platzen.
    »Da kommt noch ein wenig Spitze hinein«, sagte Madame Rossini, die meinen Blicken gefolgt war. »Es ist schließlich ein Nachmittagskleid. Abends muss man aber zeigen, was man hat. Ich hoffe so, wir bekommen noch das Vergnügen, ein Ballkleid für dich zu fertigen! Jetzt kümmern wir uns um deine Haare.«
    »Krieg ich eine Perücke?«
    »Nein«, sagte Madame Rossini. »Du bist ein junges Mädchen und es ist ein helllichter Nachmittag. Es reicht, wenn du die Haare schön frisierst und einen Hut trägst. (Sie sagte »Ott«

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