Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
durchbohren. Die Finsternis der Duat ihn verschlingen. Er würde nicht aufhören, das Symbol zu zeichnen, das Kiras Rettung bedeutete.
Ein tosendes Donnern drang an seine Ohren, als er das Symbol vollendete. Dann verschluckte die Finsternis ihn und erstickte den Lärm mit ihrem Mantel aus endloser Schwärze.
32
Das Messer noch in der Brust, den Pokal in der Hand, saß Mencheres in dem von ihm gezeichneten Symbolkreis. Alles war wie zuvor, aber er wusste, dass er eine andere Bewusstseinsebene erreicht hatte. Er erkannte es daran, dass er keine Schmerzen mehr hatte. Und auch an der Leere jenseits des Kreises, der undurchdringlichen Finsternis rings um ihn.
Dann glitt eine schlanke Barke in den Kreis. Eine hochgewachsene Gestalt stand am Ruder. Sie hatte den Körper und das Gesicht eines Mannes, aber aus ihrem Schädel sprossen gewundene Widderhörner. Mencheres verneigte sich so tief, wie die Klinge in seiner Brust es zuließ.
» Fährmann«, sagte er. » Herr über die Duat.«
Als Mencheres sich aufrichtete, streckte Aken die Hand aus und pflückte ihm das Messer aus der Brust wie eine Blume von einer Wiese. Seine riesigen Hörner näherten sich Mencheres’ Gesicht, als er sich vorbeugte, um die Klinge abzulecken. Dabei starrte er ihn aus seinen gelben Augen unverwandt an.
» Du hast deinen Blutzoll entrichtet, um mich zu rufen, Kainit. Was willst du?«
Seit Jahrtausenden hatte niemand mehr Mencheres als Kainit bezeichnet, aber der Gott der Unterwelt wusste sicher nicht, dass dieses Wort inzwischen durch ein anderes ersetzt worden war: » Vampir«. Jahrtausende waren in den Augen der Götter schließlich nur ein Wimpernschlag.
Mencheres verneigte sich noch einmal. » Ich suche einen anderen Kainiten namens Kira. Sie ist meinem Blut entsprungen, und ihr Wesen ist noch in mir. Benutze mein Blut, um sie zu finden, und sag mir, wo sie ist.«
» Nenne mir deinen Namen«, forderte der Fährmann.
Namen hatten Macht. Aken brauchte ihn zur Besiegelung ihres Pakts. » Menkaure«, nannte Mencheres ihm seinen Geburtsnamen.
Der Fährmann schenkte ihm ein zahnloses Grinsen, das eher wie der Schlund des Todes wirkte. Wieder leckte er das Messer ab, an dem noch etwas von Mencheres’ Blut klebte.
» Sie ist weit fort von hier«, stellte Aken fest. Sein Grinsen wurde breiter. » Es wird einige Zeit dauern, zu ihr zu gelangen.«
Die Sonne hatte hoch am Himmel gestanden, als Mencheres mit seinem Ritual begonnen hatte, aber womöglich blieb ihm doch nicht mehr genug Zeit. Wenn Radje und Kira sich an entgegengesetzten Enden des Erdballs befanden, würde er sie nicht beide rechtzeitig erreichen können. Mencheres wollte auch niemand anderen mit Kiras Rettung betrauen. Radje hatte seinen Wachleuten zweifelsohne befohlen, sie im Falle eines Angriffs unverzüglich zu töten.
» Sag mir, wo sie ist«, bat er.
Der Fährmann berührte Mencheres’ Stirn. Bilder einer riesigen verfallenen Stadt mit Tempelruinen und Monumenten inmitten eines ausgedehnten Dschungels brachen über Mencheres herein; dann sah er Kira, an eine Mauer geschmiedet, und Wachleute, die einen von Säulen umgebenen Tempel umstreunten. Er schob das Kinn vor. Er kannte diese Ruinenstadt. Kira war in Yukatan, Mexiko, irgendwo innerhalb des Kriegertempels der alten Mayastadt Chichén Itzá. Und er war in Chicago, über tausend Kilometer entfernt von ihr und musste sich um Mitternacht mit Radje in Atlanta treffen, sonst würde der Kiras Ermordung anordnen.
Aken löste die Finger von Mencheres’ Stirn und legte das Silbermesser vor sich hin. » Mein Boot kehrt nicht leer in die Duat zurück. Sorge dafür, dass vor Morgengrauen das Blut eines würdigen Opfers an dieser Klinge klebt, oder ich hole mir dich.«
» Einverstanden«, krächzte Mencheres.
Der Fährmann steuerte sein Boot aus dem Symbolkreis und verschwand in der Finsternis des Totenflusses. Kaum war er fort, löste sich auch der Kreis auf, und Mencheres war zurück in der Gegenwart. Der erstaunte Gesichtsausdruck, mit dem Vlad sich über ihn beugte, war das Erste, was er sah.
» Ich glaub’s nicht, du bist nicht tot.«
Vlad packte Mencheres bei den Armen und zog ihn hoch. Mencheres fühlte sich noch kurz benommen von der Reise zwischen den Welten, aber dann konnte er wieder klar genug denken, um zu erkennen, dass die Sonne nicht mehr so stechend vom Himmel brannte wie zuvor.
» Wie lange war ich bewusstlos?«, wollte er wissen.
» Nachdem diese Viecher dir fast das ganze Fleisch von den Knochen
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