Rubinrotes Herz, eisblaue See
mich. »Tu mir das ja nicht noch mal an, hörst du?« Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Wir umklammerten uns, während Dottie und Bert zu ihrem Haus gingen.
Drei Tage später versammelten sich alle aus The Point bei Grand, um das Begräbnis des Präsidenten zu verfolgen; um das nervöse Pferd namens Black Jack zu sehen, mit den nach hinten gedrehten Stiefeln in den Steigbügeln, um die Trommeln zu hören und zuzusehen, wie John John vor dem Sarg salutierte.
Und wo war Carlie? War sie in der Menschenmenge, die sich entlang des Sargzugs drängte? War sie genauso fassungslos wie wir? Vermisste sie mich ebenso wie ich sie?
Am Tag nach dem Begräbnis begann die Schule wieder. Auf der Hinfahrt saßen Dottie und ich eine Bank vor Glen und Bud. Als wir uns Rose’ Haltestelle näherten, bremste der Bus nicht ab. Tillie grüßte den Fahrer eines kleineren Schulbusses, der am Ende von Rose’ Straße hielt, während wir weiterfuhren.
»Das ist der Bus für die Zurückgebliebenen«, sagte Glen, und alle verstummten.
Dottie sagte: »Hoffentlich können die Rose da helfen. Ist vielleicht ihre einzige Rettung.«
13
Carlie war immer Herz und Seele von Weihnachten gewesen, hatte das Haus von oben bis unten geschmückt und laut die Weihnachtslieder im Radio mitgesungen. Sie hatte mich am Weihnachtsmorgen geweckt, damit ich meinen Strumpf aufmachen konnte, und sie hatte es nie abwarten können, dass wir die Geschenke auspackten, vor allem diejenigen, die sie für Daddy und mich ausgesucht hatte.
Daddy und ich taten unser Bestes. Wir schleppten uns in den Wald, hackten einen armen kleinen Baum ab, schleiften ihn nach Hause und schmückten ihn. Aber es war eine stille Unternehmung, abgesehen von meinem Geschniefe und dem Zischen, wenn er eine seiner ‘Gansett-Dosen aufmachte.
Früh am Weihnachtsmorgen fiel mein Strumpf mit einem Hing vom Bett. Ich ließ ihn auf dem Boden liegen und starrte an die Decke, weil ich wusste, dass Daddy ihn gefüllt und dort hingelegt hatte. In der Küche raschelte eine Zeitung, und Daddy räusperte sich. Ich zog mich an, hob meinen Strumpf auf, ging zu ihm und sagte: »Lass uns zu Grand gehen.«
Eigentlich hatten wir bis zum Weihnachtsessen warten wollen, das ungefähr um zwölf losging. Daddy hatte gemeint, wir beide sollten auch mal ein bisschen Zeit für uns haben, und er hatte sich ausgerechnet den Weihnachtsmorgen ausgesucht, um damit anzufangen. Aber er war schnell bereit, seine Planung zu ändern, und so nahmen wir unsere Geschenke und stapften durch den eisigen Wind und die dicken, nassen Schneeflocken, die vom Wasser herüberwirbelten, hinüber zu Grand.
Ich verteilte die Geschenke unter Grands Baum, und dann packten wir sie aus. Für Daddy und mich hatte Madeline ein Aquarell vom Hafen kurz vor Sonnenuntergang gemalt, mit der Carlie Flo an ihrer Boje. Ida hatte mir einen zweiten Quilt genäht, mit lauter bunten Schmetterlingen auf blauem Grund. Von Dottie bekam ich zwei dicke Little-Lottie- Comics, eingepackt in die Witzseite einer alten Sonntagszeitung. Grand hatte mir einen dicken, warmen Pullover aus weicher hellgrüner Wolle gestrickt, und Daddy hatte irgendwie die Zeit gefunden, mir einen Stapel Nancy-Drew- Bücher zu kaufen. Mit Grands Hilfe hatte ich Daddy einen himmelblauen Schal und eine passende Mütze gestrickt, die toll zu seinen Augen passten. Und mit Madelines Hilfe hatte ich Grand ein Aquarell von ihrem Garten im Sommer gemalt.
Ich hätte schwören können, dass Carlie im Schneidersitz neben mir auf dem Boden saß und sich gespannt zu mir rüberbeugte, während ich meine Geschenke aufmachte. Deshalb war ich erleichtert, als wir alles ausgepackt hatten und das Ganze vorüber war. Oder vielmehr dachte ich, es wäre vorüber. Doch dann griff Daddy in Grands Weihnachtsbaum und holte eine kleine Schachtel heraus, die in Goldpapier und weißes Schleifenband verpackt war. Er gab sie mir und sagte leise: »Das ist von deiner Mutter und mir.«
Ich sah ihn verwirrt an.
»Nur zu, mach’s auf.«
Im Innern war eine grüne Samtschatulle. Ich klappte sie auf, sagte »Oh!« und klappte sie wieder zu.
Grand griff nach der Schatulle, öffnete sie und nahm einen Goldring mit einem kleinen grünen Stein heraus.
»Dein Geburtsstein«, sagte sie. »Ein echter Smaragd. Gib mir deine Hand.« Sie schob ihn auf meinen rechten Ringfinger, und er rutschte mit dem Stein nach unten.
»Verdammt«, sagte Daddy. »Er ist zu groß.«
»Sie wird hineinwachsen«, sagte Grand. »Und bis
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