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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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was sich bei dir abspielt – oder vielmehr nicht abspielt. Sie ist sicher taktvoll. Und falls nicht? Was kann sie dir schon tun? Anzeigen?
    Pinkel erst mal und geh dann zurück zu ihr. Nicht mal dazu ist dieser Schmock jetzt vor lauter Aufregung fähig.Ich ziehe das Wasser, um wenigstens einen hörbaren Grund für meine Flucht zu signalisieren.
     
    Susanne hat sich inzwischen wieder angezogen. »Na?« Sie grinst mich an. Nicht mal unfreundlich. Wahrscheinlich hat sie Mitleid. »Was tun wir jetzt, Jonathan?«
    Wenn ich das nur wüsste! Am liebsten würde ich einfach abhauen. Nicht schon wieder davonlaufen, Rubinstein! Ich gehe ans Bücherregal. »Sag mal, Suse, wer ist denn dein Lieblingsautor?« Wahrscheinlich fragt sie sich, ob ich übergeschnappt bin. Aber was soll ich sonst tun?
    »Puh, habe ich mir gar nicht überlegt. Lass mal denken. Also ich lese gerne so die moderne Nachkriegsliteratur. Böll, Grass, Ingeborg Bachmann, Dürrenmatt und so.«
    »Kennst du Franz Kafka?«
    »Nur dem Namen nach.«
    »Der hat meine Lieblingsgeschichte geschrieben. ›Vor dem Gesetz‹.« Ich schnappe mir den Kurzgeschichtenband ›Das Urteil‹, blättere die richtige Seite auf und komme zu ihr ans Bett. »Das ist so toll. Das musst du lesen, Susanne. Es ist nur wenig mehr als eine Seite.« Ich reiche ihr das Büchlein. Sie liest aufmerksam. Entsteht Kultur nur, weil man impotent ist? Liest und schreibt man, weil man nicht vögeln kann?
    Susanne lässt das Buch sinken. »Das ist wirklich gut. Das habe ich mir noch gar nicht so klar überlegt, dass man für sein Recht eintreten muss.«
    »Ich glaube sogar, dass die Geschichte eine Allegorie auf das Leben ist. Die Notwendigkeit, sich sein Recht und seinen Lebensweg zu erkämpfen.«
    »Ist das nicht anstrengend, ein ganzes Leben zu kämpfen?«
    »Ja, schon. Aber was will man denn sonst machen? Andernfalls ist man lediglich Zuschauer.«
    »Mir macht es nichts aus, zuzuschauen.«
    »Mir schon. Ich glaube, wir sollten alle für unsere Rechte und für unsere Bedürfnisse eintreten.«
    »Vielleicht hast du recht.«
    »Komm, wir gehen ein bisschen spazieren. Wir haben schon genug rumphilosophiert.«
    »Wieso? Es macht mir riesigen Spaß, mich mit dir zu unterhalten. Kannst du mir das Büchlein leihen?«
    »Sicher. Mir tut es auch gut, mit dir zusammen zu sein.«
    »Na bitte, dann ist ja alles bestens.« Suse drückt mir ihre Lippen auf die Wange. »Jonathan«, sie tippt mit dem rechten Zeigefinger an ihre Schläfe, »da oben hast du eine ganze Menge Grips.«
    Und in der Hose einen Schlappschwanz! Dennoch versteht es Suse immer wieder, meine Stimmung aufzuheitern.
    »Wir können uns ja im Englischen Garten oder an der Isar weiter unterhalten.«
    »Prima. Ich will mich nur noch bei deinem Vater bedanken.«
     
    Fred ist inzwischen aufgestanden, sieht aber noch verschlafen aus.
    »Herr Rubinstein, ich möchte mich ganz herzlich für Ihre liebenswürdige Gastfreundschaft und das ausgezeichnete Essen bedanken.«
    »Sie können das öfter haben, Fräulein … äh …«
    »Susanne. Sagen Sie einfach Susanne zu mir.«
    Fred strahlt. Warum hat er nicht auch so ein nettes Huhn gefunden, sondern solch einen störrischen Esel? Damit du gezeugt wurdest, Rubinstein!
    »Ja … also Fräulein Susanne. Sie sind hier immer willkommen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns bald wieder beehren würden.«
    »Tu ich bestimmt. Auf Wiedersehen und nochmals vielen Dank.«
    »Auf Wiedersehen.«
    »Schalom, Fred.«
    »Wiedersehen.« Er grinst mich verschwörerisch an. Der Alte hat sich richtig in Susanne verguckt. Ein Glück, dass Esel es nicht sehen kann.

SUBLIMIEREN
    Fred ist wirklich klasse. Er hat mir schon wieder die Karre gegeben, diesmal um nach dem Abitur ein paar Tage auszuspannen. Wenn der Bursche wüsste, warum ich angespannt bin! Da mache ich mich die ganze Zeit lustig über ihn, verachte seine Schwäche. Und ich? Sogar im Bett bin ich ein Schwächling, ein Versager. Fred scheint zumindest auf diesem Gebiet Erfolg gehabt zu haben. Wie er sonntags Suse angesehen hat! Und immerhin hat er mich gezeugt. Der Typ muss irgendwie doch Mut haben – wahrscheinlich den Mut der Verzweiflung. Mit Esel ins Bett zu gehen! Mit so einer harten Hexe zu schlafen, das würde ich mich nie trauen. Fred hat’s immerhin geschafft. Und ich? Nicht malbei einem so lieben Mädel wie Susanne bringe ich etwas zustande. Genug, grämen hilft jetzt überhaupt nichts, Rubinstein.
    Es gibt doch noch anderes außer vögeln. Zum

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