Rubinsteins Versteigerung
zwiespältig. Solange ihr die Leute fremd sind, reagiert sie ablehnend. Erst wenn sie die Menschen näher kennenlernt und Vertrauen zu ihnen hat«, oder was von ihnen braucht, »kann sie ganz charmant sein.« So ernst habe ich Suse noch nicht gesehen. Scheißnazis. Nicht nur, dass sie unsere Leute ermordet haben. Auch ihr eigenes Volk haben sie zu ewigen Schuldgefühlen verurteilt – jedenfalls diejenigen, die ein Gewissen haben.
»Jetzt sei nicht traurig. Es wird schon nicht so schlimm werden, wie ich befürchte. Aber ich wollte dich auf jeden Fall warnen. Und außerdem bin ich ja dabei. Es kann also gar nichts passieren. Und jetzt will ich, dass du wieder deine gute Laune zurückgewinnst.«
»Kommt schon noch.« Sie ist immer noch verstört.
»So, die Autobahn haben wir hinter uns. Jetzt sind es noch etwa 70 Kilometer. Das schaffen wir leicht in einer Stunde.«
»Ja.«
Reb Jid, du musst sie trösten. Ich lenke die Karre an den Straßenrand. Nehme ihren Kopf zwischen meine Hände, beuge mich zu ihr, will sie küssen …
»Nein!« Sie faucht wie ein Katzenvieh. »Ich möchte jetzt ein wenig allein sein. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich für eine Weile allein durch die Wiese da gehe?«»Hallo. Da bin ich wieder.« Sie küsst mich trocken auf den Mund. »Und außerdem habe ich einen Strauß Feldblumen gepflückt – für deine Mutter. Meinst du, dass sie sich darüber freut?«
»Sehr sogar. Du hast genau ihren Geschmack getroffen. Esel ist ein Blumennarr.«
»Deine Mutter wird mir richtig sympathisch.«
»Mal sehen. Jetzt brausen wir aber los, damit wir rechtzeitig zum Mittagessen in ihrem Kurhotel sind.«
»Frau Rubinstein ist schon zu Tisch. Wenn Sie so lange hier im Empfangsraum Platz nehmen möchten.«
Aufgeblasener Vogel. Kaum hat so ’n Kerl ’ne Uniform an, und sei es eine Portiersmontur, fühlt er sich einem überlegen.
»Nein, wir möchten nicht hier Platz nehmen, sondern am Speisetisch meiner Mutter. Wir sind nämlich seit heute früh unterwegs und deshalb wahnsinnig hungrig.«
»Tut mir leid, aber ich habe strikte Anweisung, unsere Kurgäste unter keinen Umständen bei Tisch zu stören.«
»Sie sollen niemand stören, sondern uns sagen, wie wir zu meiner Mutter kommen.«
»Gut. Jawohl. Am besten, ich gehe gleich voraus.«
Na bitte! Ein klarer Befehl, und die Burschen parieren aufs Wort. Immer noch.
»Frau Rubinstein, verzeihen Sie mir, dass ich Sie beim Essen störe. Aber Ihre Kinder wollten unbedingt sofort zu Ihnen.«
Esel hält im Essen inne, hebt ihren Kopf. Sie mustert Suse und mich. »Meine Kinder? Gut, Herr Dauser. Danke schön.«
Das kann ja heiter werden.
»Wie kommst du denn hierher?«
»Mit dem Auto. Fred war so freundlich, es uns zu leihen.«
»Er scheint vollständig verrückt geworden zu sein, wenn er dir den Wagen für so eine lange und gefährliche Fahrt leiht. Oder hast du ihn so lange gepiesackt, bis er sich nicht anders zu helfen wusste, als dir das Auto zu geben?« Auch ihre Tischnachbarn scheinen nicht für sie zu existieren.
Falsch, Reb Jid! Gerade weil sie Publikum hat, zieht sie ihre Show ab. Damit die Typen und natürlich die Schickse sehen, was für einen schlimmen Sohn sie hat. Dass Susanne nicht eine von »unseren« Mädchen ist, hat sie auf den ersten Blick erkannt. Ich Idiot musste ihr damals sagen, dass ich mit einer Schickse weggehe. Jetzt hat die Schickse mich offenbar auch noch zu dieser »gefährlichen und langen Fahrt« verleitet.
»Esel, ich möchte dir Susanne Andreesen vorstellen.« Suses Miene hellt sich auf. »Guten Tag, Frau Rubinstein. Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen einige Feldblumen gebe.«
»Danke.« Esel macht keine Anstalten, den Strauß anzunehmen. Nach einigen Sekunden lässt Susanne die Blumen sinken.
»Esel! Willst du nicht die Blumen nehmen, die Susanne dir mitgebracht hat?«
»Später, bei Tisch kann ich den Strauß doch nicht halten.«
»Esel, wir sind sehr hungrig von der langen Fahrt. Willst du uns nicht zu Tisch bitten?« Susanne schüttelt ihren Kopf.
»Wir sind hier nicht in einem Hotel, sondern in einemKurheim. Ich werde trotzdem die Bedienung fragen. Setzt euch doch erst mal hin.«
»Ist aber nicht nötig, Frau Rubinstein.«
»Was reden Sie da? Sicher ist es nötig! Mein Jonny hat einen empfindlichen Magen. Wenn er nicht regelmäßig zu essen bekommt, kann er sich, Gott behüte, noch ein Geschwür holen. So, und jetzt setzen Sie sich auch hin. Ach ja, übrigens, Herr Berthold«, sie wendet sich zum
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