Rubinsteins Versteigerung
Spezialität. Gottlob ist Fred nicht abgekratzt. Stimmt, aber im Moment hilft das nicht weiter. Du musst mit Suse quatschen! »Außerdem sind Schildkröten schön.«
»Jetzt veräppelst du mich.«
»Nur ein wenig. Ich finde Schildkröten schön, und dich finde ich schön und hab dich gern.«
Sie lacht. »Danke für den Vergleich. Ich weiß nicht, ob ich auf dieses Kompliment stolz sein soll.«
»Sicher. Ich hab dich gern.«
Ich nehme ihre Hand, streichle sie. »Susanne, ich möchte mit dir zusammen in den Urlaub fahren. Nach Griechenland oder Spanien, jedenfalls dorthin, wo es warm ist.«
Sie blickt interessiert auf unsere verschlungenen Hände. »Gut.« Ihre Augen bleiben gesenkt.
»Prima, wann hast du Urlaub?« Meine Stimme ist mit einem Mal rau.
»Ja.« Endlich blickt sie mich an. »Ja. Also, ich habe meinen Urlaub noch nicht angemeldet. Also ich könnte, glaube ich, sobald ich das beantrage, drei Wochen Ferien bekommen.«
»Ausgezeichnet! Was hältst du von Juli? Dann habe ich die Ergebnisse vom Abi und weiß, ob ich in die mündliche Prüfung muss. Alles in allem ist der Zirkus in der ersten Juliwoche vorbei. Danach könnten wir sofort losbrausen.«
»Ja.« Sie blickt wieder auf den Tisch.
»Was ist denn, hast du keine Lust?«
»Doch«, sie sieht mich wieder an, ihre Stimme bleibt leise. »Ich freue mich schon. Nur kommt das alles so plötzlich. So unvorbereitet.«
Verloren! Sie will es mir nur schonend beibringen.
»Das kam doch alles sehr überraschend. Ich freue mich trotzdem – sehr.« Sie blickt mir gerade in die Augen, lächelt wieder mit herabgezogenen Mundwinkeln.
»Prima. Und wohin fahren wir jetzt? Nach Spanien oder Griechenland?«
»Griechenland. Ich wollte mir schon immer die alten Tempel ansehen.«
»Also abgemacht? Griechenland, Anfang Juli.«
»Abgemacht.«
Geschafft, Rubinstein!
ESEL VERSTEHT
»Was ist mit dir los? Seit Tagen machst du ein Gesicht wie ein Bankrotteur. Vor dem Abitur hast du nie Zeit zum Lernen gehabt. Warst immer unterwegs. Und jetzt hockst du die ganze Zeit zu Hause rum und bist muffig. Wieso gehst du nicht mit Rachel weg? Nicht mal mit Peter? Was ist los mit dir?«
»Lass mich in Ruhe, Esel.«
»Nein! Zuerst wirst du mir sagen, was passiert ist.«
»Nichts.«
»Nichts, schmichts! Irgendwas stimmt nicht mit dir. Sonst warst du doch in den Ferien immer blendender Laune. Hast du dich überhaupt schon an der Universität wegen deines Betriebswirtschaftsstudiums erkundigt?«
»Nein.«
»Was heißt nein? Das Studienjahr wird doch bald beginnen, da muss man sich doch vorher anmelden. Frau Fuchs hat mir erzählt, dass Peter sich schon an der Universität erkundigt hat.«
»Die soll mich mitsamt ihrem Sohn am Arsch lecken!«
»Bist du jetzt vollständig übergeschnappt? Peter war doch immer dein bester Freund.«
Ich antworte nicht.
»Sag mir endlich, was los ist!«
»Hau ab, du alte Giftmischerin.«
»Du bist wirklich vollständig verblödet. Ich will jetzt wissen, was los ist. Ich werde dich vorher nicht in Frieden lassen. Sag es mir endlich!«
»Wenn du es genau wissen willst, ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich durchs Abi gesegelt bin.«
»Gott, du Gerechter. Warum hast du das nicht früher gesagt?«
»Weshalb?«
»Weshalb? Bist du wirklich zu dumm, um das zu begreifen? Weil ich dann sofort mit eurem Direktor, Herrn Dr. Koch, gesprochen hätte.«
»Und was hätte das genützt?«
»Was das genützt hätte? Ich hätte mit ihm geredet wie mit der Frau Dr. Schneeberger. Ich hätte ihm gesagt, ›wir haben unser ganzes Leben nur Verfolgung und Leid gekannt. Jetzt liegt mein Mann auf Leben und Tod im Krankenhaus. Wenn mein Sohn jetzt wieder, mit 21 Jahren, durchfällt und er die ganzen Jahre umsonst gelernt hat, dann stirbt mein Mann noch vor Aufregung, und ich und mein Sohn gehen auch zugrunde. Haben Sie Erbarmen mit uns!‹« Die letzten Worte hat sie mit heiserer Stimme geschrien.
Mir ist übel geworden. Wird diese Nazi- und Verfolgt-sein-Kotze nie ein Ende nehmen? Wird es immer so weitergehen, dass man, sobald man in der Klemme sitzt, an das schlechte Gewissen der Deutschen appelliert und um Gnade winselt, sich also moralisch noch tiefer stellt als das Herrenvolk?
»Ich werde jetzt Herrn Dr. Koch anrufen. Vielleicht kann er doch noch das Schlimmste abwenden.«
»Das wirst du nicht tun, Esel!«
»Halt den Mund, Schwächling! Meinst du, dass ich das gern tue? Diese Leute anzubetteln. Ich, Klara Rubinstein, der man die ganze Familie
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