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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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Tischnachbarn, »das ist mein Sohn und seine, seine …«
    »Freundin«, wieder diese Knabenstimme.
    Esel sieht mich höhnisch an. »Fräulein Christa, Fräulein Christa, können Sie bitte meinem Sohn und seiner, seiner …« Wenn sie jetzt »Schickse« sagt, dann klebe ich ihr eine – vor allen Leuten. Verrückter! Wie kann sie hier »Schickse« sagen. Außer ihr und mir sind doch alle Gojim. Sie provoziert dich, und du Trottel fällst voll drauf rein. Lass doch du sie hängen. »… seiner Bekannten etwas zu essen geben? Die sind extra aus München gekommen, um mich zu besuchen.«
    »Aber selbstverständlich, Frau Rubinstein.«
    Verstehe. Esel hat der Kellnerin wie üblich gleich zu Beginn ordentlich was zugesteckt und kann sich so jede Extrawurst schnappen. Clever ist sie, die alte Hexe, das muss man ihr lassen.
    »Wissen Sie, Herr Berthold, mein Sohn hat gerade sein Abitur gemacht – endlich. Ich hatte schon Angst, dass er es nie schaffen wird.«
    Hexe. Drachen.
    Berthold hebt sein Greisenhaupt. Der Bursche dürfte an die siebzig sein. Ein schwerer Mann. Breite Schultern,große fleischige Flossen und Würstchenfinger, ein mächtiger Schädel mit einer Knollennase im breiten Gesicht. Nur die Lippen sind schmal, die blauen, wachen Augen ungewöhnlich klein. Auf das Gezeter von Esel und mir hat er überhaupt nicht reagiert.
    »Guten Tag«, sagt er ruhig, während mich seine flinken Äuglein aufmerksam mustern.
    »Guten Tag«, echot seine Frau.
    »Hattet ihr eine schwere Fahrt?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Was erzählst du! Ich weiß es. Ich bin mit dem Zug gefahren. Man fährt stundenlang. Es ist anstrengend.«
    »Wenn du sowieso alles besser weißt, wieso fragst du dann?«
    »Weil ich will, dass du dich nach dem Essen ordentlich ausruhen sollst.«
    »Jetzt lass uns doch erst mal in Ruhe essen.«
    »Jonathan! Rede nicht so brüsk mit deiner Mutter.«
    Deine Ratschläge haben mir gerade noch gefehlt. Aber falls du glaubst, dass du damit bei Esel auch nur das Geringste bewirken kannst, bist du schiefgewickelt.
    »Du hast recht, Susanne.«
    »Sieh einer an! Auf die eigene Mutter hört er nie. Aber Ihnen scheint er aufs Wort zu gehorchen … Und jetzt nach dem Essen musst du dich ausruhen, du bist von der Fahrt erschöpft.«
    »Überhaupt nicht. Ich möchte lieber mit Susanne spazieren gehen.« Und mich dabei gleich nach einem Zimmer umsehen.
    »Aber Jonathan, wenn deine Mutter meint, dass du dichausruhen musst, dann tu es doch. Die Fahrt hat wirklich lange gedauert. Während du dich bei deiner Mutter ausruhst, kann ich ja so lange spazieren gehen.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage! Entweder wir ruhen uns beide bei Esel aus oder überhaupt nicht!«
    »Du scheinst zu glauben, dass das hier eine Jugendherberge ist. Ich kann doch nicht einfach fremde Leute mit aufs Zimmer nehmen.«
    »Susanne ist keine ›fremden Leute‹, sondern meine Freundin, verstanden!«
    »Jonathan, bitte. Ich möchte euch nicht stören. Und deiner Mutter Ungemach bereiten.«
    »Ich auch nicht. Wir gehen jetzt spazieren, Esel, und sehen uns dann nachmittags irgendwann mal …«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage! Kommt beide mit. Ich werde schon irgendwas für euch finden.«
    Auf dem Weg in ihr Zimmer nimmt mich Esel im Aufenthaltsraum beiseite. »Fräulein Susanne, Sie haben doch nichts dagegen, dass ich mit meinem Jungen allein rede.«
    »Sicher nicht. Ich warte so lange.«
    Esel zieht mich in eine Ecke. »Sag mal, bist du vollkommen verrückt geworden, hier mit einer Schickse aufzutauchen? Statt froh zu sein, dass ein jüdisches Mädchen wie Rachel Blum dich gerne hat, treibst du dich mit so einer dummen Pute herum.«
    »Genug, Esel!«
    »Es ist noch lange nicht genug! Wenn du dich mit ihr herumtreiben musst, bitte. Aber für was schleppst du sie hier an? Denkst du überhaupt nicht daran, was du deiner Mutter für eine Schande machst?«
    »Weshalb Schande, wenn ich fragen darf?«
    »Weil sie eine Schickse ist, du Tunichtgut!«
    »Na und? Die ganzen Typen hier sind doch auch Gojim. Die werden sich durch eine Schickse wohl kaum aus der Ruhe bringen lassen. Eher schon von einem schwarzhaarigen, krummnasigen Judenmädel …«
    »Du sprichst wie ein Nazi.«
    »Ich habe nur gesagt, was die meisten Deutschen denken.«
    »Was die denken, ist mir egal. Aber an unserem Nebentisch sitzt ein Ehepaar aus Israel. Herr und Frau Frankfurter. Reizende Menschen. Ich habe ihnen nur das Beste über dich erzählt, und jetzt kommst du mit einer Schickse

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