Ruby Redfort: Gefährlicher als Gold (German Edition)
Märchen, aber dafür waren sie nun mal nicht die Hellsten. Doch da es in der ganzen Stadt kein Ehepaar gab, das beliebter gewesen wäre, leiteten sie so gut wie jedes Komitee und jede Wohltätigkeitsveranstaltung in Twinford – sie gehörten zu den besseren Kreisen und waren Personen des öffentlichen Lebens.
Die Familie Redfort ging nach oben ins Wohnzimmer und machte es sich auf einem der großen weißen Sofas gemütlich.
»Und wie war’s in der Schweiz?«, erkundigte sich Ruby.
»Oh, wunderbar, einfach wunderbar! Wir wären sicher noch länger geblieben, wenn wir wegen des Museumsevents nicht hätten zurückkommen müssen«, sagte Sabina wehmütig.
»Echt? Was für ein Museumsevent?«, fragte Ruby mit großen Augen.
»Ruby, die Sache mit dem Jadebuddha von Khotan hast du doch bestimmt nicht vergessen!«, rief ihre Mutter ungläubig.
»Sabina, Schatz, sie nimmt dich doch nur auf den Arm!«, warf Brant ein und verdrehte die Augen. »Du redest seit zwei Monaten von nichts anderem mehr!«
»Ach, wie lustig!« Sabina lachte und kniff Ruby spielerisch in die Wange.
Rubys Eltern waren beide ganz aus dem Häuschen, weil der Jadebuddha nach Twinford kommen würde. Dieser war im achten Jahrhundert aus dem alten Königreich Khotan gestohlen worden und hatte über ein Jahrtausend lang als verschollen gegolten. Vor kurzem aber war der Buddha in einer riesigen Eisscholle irgendwo nördlich von Alaska wiederentdeckt worden. Der Archäologe, der das Artefakt aus dem Gletscher geschält hatte, war kein Geringerer als der Direktor des Städtischen Museums von Twinford, Dr. Enrico Gonzales. In Anerkennung seiner gewaltigen und heldenhaften Entdeckung hatte ihm das Volk von Khotan erlaubt, den Buddha für eine bestimmte Zeit in seinem Museum auszustellen, bevor er seine weite Heimreise antreten würde. Und wie nicht anders zu erwarten, gehörten Brant und Sabina natürlich zu dem Komitee, das die Empfangsparty für den Buddha organisierte.
»Eines muss man euch lassen«, sagte Ruby und blickte sich suchend nach Koffern um. »Ihr zwei reist wirklich mit leichtem Gepäck.«
»O ja«, sagte ihre Mutter. »Die Airline hat es geschafft, unser ganzes Gepäck zu verschlampen – ist es zu fassen?«
»Dann sind vermutlich auch all eure Urlaubsfotos verloren gegangen?«, fragte Ruby hoffnungsvoll. Aus ihren diversen Urlaubsorten brachten ihre Eltern immer Unmengen von Fotos mit, mit denen sie anschließend Diashows machten, die Ruby sich natürlich alle anschauen musste. Ein Wunder, dass sie dabei nicht schon vor Langeweile gestorben war. Es wäre zu schön, wenn ihr das diesmal erspart bliebe!
»Nein«, sagte dann aber leider ihr Vater, »zum Glück hatte ich alle Filme in meinem Handgepäck – ich kann es kaum erwarten, bis sie entwickelt sind! Du wirst sehen, dass mir wieder mal herrliche Aufnahmen gelungen sind.« Das hielt Ruby für äußerst unwahrscheinlich; ihr Vater war ein miserabler Fotograf.
Mrs Digby begrüßte das Ehepaar Redfort wie immer sehr überschwänglich – »Wie schön, Sie wiederzusehen! Sie waren viel zu lange weg!«, kommentierte sie aufgeregt. »Oje, ich glaube, Sie haben abgenommen, Mrs R, ich muss zusehen, dass Sie wieder zu Kräften kommen!« –, und dann war es Zeit zum Abendessen, und die Familie Redfort setzte sich an den gedeckten Tisch. Mrs Digby hatte sich große Mühe gegeben, den Tisch so schön wie möglich zu decken, und genau in der Mitte stand ein Blumenarrangement, so riesig, dass man weder darüber hinweg noch an ihm vorbei sehen konnte.
Während des Abendessens schwärmten Rubys Eltern in den höchsten Tönen von ihrem wunderbaren Hotel, den köstlich panierten Schnitzeln und den majestätischen Alpen.
Die Unterhaltung verlief ungefähr so:
SABINA : »Mit Abstand die leckersten Schnitzel, die ich je gegessen habe!«
BRANT : »Und erst die Alpen! So was von hoch!«
Das ging so lange, bis Ruby sich wünschte, sie würden lieber wieder über den Jadebuddha reden. Was tatsächlich nicht lange auf sich warten ließ.
SABINA : Apropos Schweiz: Marjorie hat erwähnt, dass der Schaukasten, in dem der Buddha ausgestellt sein wird, von einem genialen Schweizer Fachmann angefertigt wurde – kein Mensch hat ihn bisher gesehen, niemand – er soll wie ein Einsiedler leben!«
BRANT : Ach ja, stimmt, ein Mann namens … wie hieß er noch gleich, Schatz?«
RUBY : »Klaus Gustav.«
Ruby hatte das Gespräch zwar nicht sehr aufmerksam verfolgt, doch sie hatte sich inzwischen schon so viele
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