Ruby Redfort: Gefährlicher als Gold (German Edition)
für immer verschwinde! Zum Glück hab ich meine Cousine Emily, bei der ich sicher wohnen kann.«
»Oh, Mrs Digby! Bitte, tun Sie nichts Unbeda–«, flehte Sabina sie an, doch vergebens. Mrs Digby stapfte bereits zornig die Treppe hinunter zu ihrer Einliegerwohnung – und Ruby wusste, dass sie sich ihre Pfannkuchen zum Frühstück für den nächsten Tag abschminken konnte.
Sie war froh, als das Telefon läutete.
»Redforts Institut für Tragödien aller Art. Falls Sie Drama brauchen – bei uns finden Sie es!«
Sie hatte gehofft, es sei Clancy Crew, der sie aufheitern würde – doch es war Marjorie Humbert.
Deshalb plapperte Ruby extra superschnell los, damit die Anruferin gar nicht erst zu Wort kommen konnte.
»Hallo, Mrs Humbert! Ja, mir geht’s besser, als Sie sich vorstellen können, und ich würde ja gern ein bisschen mit Ihnen plaudern, aber ich weiß, dass meine Mutter es kaum erwarten kann, mit Ihnen zu reden, und deshalb: bis später!«
Sie reichte den Hörer an ihre Mutter weiter. »Muss mit Floh Gassi gehen«, sagte sie und pfiff nach dem Hund.
Mann o Mann, ich brauche dringend frische Luft.
Ruby und Floh verließen das Haus durch die Hintertür und gingen zuerst den Cedarwood Drive hinunter, dann nach rechts in die Amster Street. An dem kleinen Park, Amster Green genannt, legte Ruby einen Halt ein. Zielgerichtet ging sie auf die große Eiche zu, die mitten auf einem begrünten Dreieck stand, umgeben von anderen Bäumen, die in voller Blüte standen. Am Fuß dieser Eiche stand eine Sitzbank. Die Eiche war schon alt, und ihre knorrigen Äste bogen sich zuerst ein Stück erdwärts, bevor sie dann nach oben ragten – der ideale Baum zum Klettern. Ruby und Clancy saßen gern oben im Geäst und beobachteten die Menschen unten am Boden; wenn der Baum Blätter hatte, war er ein super Versteck.
Ruby hüpfte auf die Bank, hielt sich am tiefsten Ast fest und arbeitete sich dann geschickt bis zum höchsten erreichbaren Ast hoch. Dort gab es ein Astloch. Sie schob ihre Hand in die Öffnung im Stamm, tastete darin herum und zog dann einen fein säuberlich gefalteten Zettel heraus. So gefaltet, dass er eine perfekte Origamischildkröte darstellte. Ruby und Clancy deponierten hier Nachrichten füreinander, aber natürlich in einem komplizierten Geheimcode und meist auch kunstvoll gefaltet – damit sie merken würden, wenn ihnen jemand auf die Schliche gekommen war. Eine Origamifigur konnte man nicht wieder zusammenfalten, wenn man nicht genau wusste, wie das ging – und das wussten nur ganz wenige Menschen. Clancy hatte die Nachricht offenbar vorhin auf dem Nachhauseweg geschrieben, denn sie lautete:
Rtkl nznsx’w umxfx dklur
hmkkr omv htznit Yzuezis *
* Schlüsselwort ist ein kleines, manchmal sehr lästiges Tierchen. Lösungen siehe Seite 434.
Ruby lächelte und kritzelte eine Antwort auf ein Kaugummipapierchen:
Mznjk, ommti Diphi sqplx!
schob es in die Öffnung im Baum und kletterte wieder nach unten. Als sie nach Hause zurückkehrte, redeten ihre Eltern immer noch über den Zwischenfall mit dem Tomatensaft. Ihre Mutter sagte gerade: »Es gefällt mir gar nicht, dass Mrs Digby so unglücklich ist, aber wir können nicht auf Consuela verzichten, sie ist ein Diätgenie.«
»Soll ich nicht diese Agentur für Hauspersonal anrufen?«, schlug ihr Vater vor. »Vielleicht können sie uns jemanden schicken, der ein Auge auf die beiden hat.«
»Nun, einen Versuch ist es wert«, antwortete Sabina.
In diesem Moment läutete das Telefon.
»Ich geh ran!«, rief Ruby, denn diesmal war es sicher Clancy, der ihr vorjammern würde, dass er beim Empfang seines Vaters wieder mal ständig lächeln musste. Doch zu ihrer Enttäuschung meldete sich niemand.
4. Kapitel
Voll mit nichts
Am nächsten Morgen schob Ruby gerade ihre Haarspange in die Haare, als das Telefon in ihrem Badezimmer läutete.
Bestimmt Clancy, dachte sie sich. Ich wette, er ruft an, um über seinen Ausschlag zu jammern.
Sie griff nach dem Hörer.
»Kläranlage Twinford, was können wir für Sie tun?«
Doch es blieb still in der Leitung.
»Komisch …«, murmelte Ruby, als sie wieder auflegte.
Mrs Digby war nirgends zu sehen – sie war sicher noch beleidigt wegen gestern Abend. Deshalb trank Ruby nur schnell ein Glas Orangensaft, griff mit einer Hand nach ihrer Schultasche, mit der anderen nach einem Schoko-Erdnuss-Plätzchen und rief ihren Eltern »tschüs« zu. Das hörten sie allerdings nicht, weil sie gerade diskutierten, welche
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