Ruby und Niall
an. "Ich hasse das Wort nett. Das sagt man zu den Mädchen, die auf dem Abschlussball in der Menge untergehen, an die sich niemand mehr erinnert. Lucy war ein so nettes Mädchen. Lucy? Kann mich nicht erinnern."
"Okay", sagte Niall, "dieser Abend war vortrefflich, ein Höhepunkt der Woche, wenn nicht sogar des Monats. Es macht mich zu einem sehr glücklichen Mann, dass ich ihn mit dir verbringen durfte, so ist es."
Ruby knuffte wieder nach ihm, brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht.
"Geht doch", sagte sie, "und es war mir eine persönliche Ehre."
Sie standen vor der Pension, beide unentschlossen darüber, was als Nächstes passieren sollte. Ruby war einen halben Kopf kleiner als Niall, suchte verdächtig lange nach ihrem Schlüssel und sagte: "Bist du ein wenig schüchtern, Niall?"
"Ich bin kein Draufgänger", sagte er, "und schlagfertig bin ich auch nicht."
"Musst du nicht sein. Kommt mit nach oben, ich mach dir noch einen Tee."
Sie hatte sich bei Mrs. Olson über die Zubereitung eines guten Tees erkundigt und sich aus ihrer Küche Teebeutel, schöne Tassen und eine bauchige Teekanne ausgeliehen. Das Service passte nicht zusammen, aber das würde nicht auffallen, denn nichts in ihrem Zimmer passte zusammen. Niall bemühte sich, leise mit der Krücke zu sein, besonders auf der breiten Holztreppe.
"Das ist mein Zimmer", sagte Ruby, öffnete die Tür, schaltete das Licht ein und ließ Niall eintreten.
"Setz dich", sagte sie, deutete auf die kleine Couch. Auf einem alten Küchentisch standen Küchenutensilien, ein Wasserkocher, Bestecke in einer blauen Tupperdose, Teller und Tassen. Niall sah sich neugierig um, zog die fremde Jacke aus und sagte: "Das ist hübsch eingerichtet."
"Sind nicht meine Möbel."
"Das ist mehr, als ich jemals hatte."
Es war die Wahrheit. Zu Hause hatte er nie mehr besessen als das, was in eine Tasche passte und er hatte in seiner Jugend bei Verwandten und Freunden gelebt. Wäre er gezwungen, davon zu erzählen, würde er es nostalgisch abtun. Wie manche Urlauber in ein Haus ohne Strom und fließend Wasser zogen, weil es authentisch war.
"Ich mach uns Tee", sagte Ruby, "und wenn wir den getrunken haben, falle ich über dich her."
"Ich hab nichts anderes erwartet."
Sie machten den Tee gemeinsam. Niall spülte die Kanne heiß aus, ließ den Tee auf die Sekunde genau ziehen, ohne eine Uhr zu brauchen, goss ihn in die Tassen und tat ein wenig Milch dazu. Sie setzten sich auf die Couch, schlürften den Tee und Ruby sagte: "Es ist dünner. Ich muss mehr hinschmecken als beim Kaffee. Vermutlich kann ich mich daran gewöhnen."
Nach dem Tee, die Tassen wurden sorgsam beiseitegestellt, knutschten sie ein wenig, auf Rubys Initiative hin, und sie war es auch, die das ganze wieder stoppte.
"Dein Bart", sagte sie, "tut mir leid, aber dieses Gestrüpp verhindert ordentliche Küsse."
Er wollte sich entschuldigen, aber Ruby hielt ihm sofort den Mund zu.
"Keine Entschuldigung. Trinken wir noch einen Tee?"
Während sie es allein versuchte, fragte Niall: "Weshalb kannst du Boston nicht leiden?"
Sie konnte sich nur undeutlich daran erinnern, was sie ihm über Boston erzählt hatte, vermutlich war es nicht viel gewesen, weil sie so besoffen gewesen war. Und sie fragte sich, weshalb er sich daran erinnerte. Kerle vergaßen solche Dinge doch so gerne.
"Meine Schwester lebt dort", sagte sie, "sie hat nichts ausgelassen, um aus dem Trailerpark raus zu kommen und tut heute so, als würde sie das zur Heldin machen. Sie hat alles von sich verkauft, wenn der Preis stimmte. Wenn es jemand bezahlt hätte, hätte sie auch ihre abgeschnittenen Fußnägel verhökert. Soll sie machen, was sie will, das ist mir egal, aber sie soll mich nicht ständig schlecht machen wegen der alten Zeiten."
"Keine Chance, es zu ignorieren?"
Sie setzte sich neben ihn auf die Couch, legte ihre Füße auf seine Oberschenkel und gab ihm Gelegenheit, ihre Strümpfe und Socken genauer zu untersuchen. Sie trug zwei Paar übereinander.
"So was fällt mir schwer."
Er berührte ihre Füße, ohne ihre Fußsohlen zu kitzeln.
"Es könnte einfacher werden, wenn du dir ein paar Dinge klar machst."
Sie bewegte ihre Zehen und erwiderte belustigt: "Ja? Welche Dinge?"
Sie erwartete ein paar der Weisheiten, die sie von einigen Freunden und Bekannten im Doppelpack bekommen hatte. Seid sich die Ratschläge wiederholten, hatte sie aufgehört, von ihren Familienproblemen zu erzählen.
"Es funktioniert ganz einfach, aber du musst dir erst über etwas klar
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