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Ruby und Niall

Ruby und Niall

Titel: Ruby und Niall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Recht
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Stunde zu spät, aber das registrierte sie nur ganz nebenbei. Sie dachte noch immer an ihre Schwester und an ihre Eltern und was von dem Familienleben übrig geblieben war. Und ob es in ihrer Kindheit so etwas wie Familienleben überhaupt gegeben hatte.
Sie erwartete nicht, dass jemand an so einem scheißkalten Morgen Tickets kaufen wollte und deshalb beeilte sie sich nicht, die Verspätung wieder reinzuholen. Und sie hatte erst recht nicht mit Golightly gerechnet, der hinter dem Schalter auf sie wartete.
"Das bekommst du vom Lohn abgezogen", sagte er, deutete mit dem drohenden Zeigefinger auf die große Uhr an der Wand, "du bist fast eine Stunde zu spät."
"Tut mir leid", sagte Ruby, ohne ihn anzusehen und ohne es ehrlich zu meinen.
"Ordnung und Pünktlichkeit, Ruby. Du kannst nicht eine Stunde zu spät kommen und dann erst diesen Saustall hier aufräumen."
Er hatte offensichtlich die Schubladen und Fächer in dem Regal durchgewühlt, unter anderem auch den ausrangierten Aktenkarton unter dem Schreibtisch inspiziert, der immer ein paar sehr private Dinge enthielt. Ruby zog ihren Mantel aus und zwang sich dazu, nicht auf den Karton zu starren, der jetzt zu ihren Füßen stand. Das eselsohrige Taschenbuch darin gehörte ihr, aber der meiste Kram war von Ethan. Es sah aus wie gesammelter Abfall und sie hoffte, dass Golightly die Zigarettenschachteln nicht geöffnet hatte. In einer waren nicht nur Zigaretten.
"Ich räume auf", sagte Ruby, "sie werden den Laden nicht wieder erkennen."
"Du weißt hoffentlich, dass du etwas wieder gut zu machen hast."
Selbst im angepissten Zustand schaffte Golightly es, ein netter Kerl zu bleiben, trat einen Schritt zurück, als Ruby den Karton vom Boden aufnahm, die Schachtel Camel und das Taschenbuch herausnahm und wie nebensächlich in ihre Tasche stecken wollte. Ihre Manteltaschen waren groß und geräumig, aber sie war nicht schnell genug. Goligthly fischte wie ein geschickter Langfinger die Camelpackung wieder heraus, hielt sie Ruby unter die Nase.

"Ist das deine Packung?"
"Ja", sagte sie, "äh, nein."
"Gehört dir die Packung Zigaretten?" Golightly spielte Katz und Maus mit ihr. Sein Blick und sein Verhalten verrieten ihn.
"Ich hab noch nie hier drin geraucht", sagte Ruby, "wir haben alle unsere Zigaretten irgendwo herumliegen, aber wir rauchen nur vor der Tür."
"Ruby, ich frage nicht noch einmal."
Ruby starrte ihrem Chef ins Gesicht, aber obwohl er es so ernst meinte, wie nur selten etwas in den letzten Jahren, konnte sie wieder nur daran denken, dass ihre Schwester ihr fehlen würde. Sie hatten eine schräge enge Bindung, mehr Hass als Liebe, aber eindeutig eine Bindung. Deshalb war sie nicht ganz bei der Sache und antwortete leichthin, ohne eine Spur Reue in der Stimme: "Okay, es sind meine Camels."
Sie streckte die Hand nach der Schachtel aus. Schon im selben Moment wusste sie, dass Golightly ihr die vermeintlichen Camels verziehen hätte, nicht aber ihr unbeeindrucktes Auftreten. Für einen Rückzieher war es zu spät.
"Ich übernehme deine Schicht für heute", sagte Golightly, "wenn du morgen pünktlich zur Arbeit erscheinst, sprechen wir über den Rest."

Ruby wusste nichts zu sagen und erst recht nicht zu protestieren. Sie nahm ihre Tasche, hängte sie sich über die Schulter und ging hinaus in den Schnee und Wind. Einer der Busse hatte leichte Verspätung, es stiegen nur wenige Passagiere aus. Ruby war einen Moment unschlüssig, was sie mit dem Tag anfangen sollte. Mitunter traf sie seltsame Entscheidungen in ihrem Leben, so war sie im Grunde auch in Winslow gelandet und hängen geblieben, und jetzt dachte sie tatsächlich darüber nach, in den verspäteten Bus zu steigen und einfach davonzufahren. Es konnte ganz einfach sein. So einfach, wie mit Niall ins Bett zu steigen und sich danach keine Gedanken mehr darüber zu machen.

Aber sie lief an dem Bus vorbei, ein unruhiges Gefühl im Bauch wegen Golightly und den Camels, und schlenderte in die Talbot Street. Irgendjemand würde zu Hause sein. Hoffentlich Niall. Denn obwohl sie es bei einem one-night-stand hätte belassen können, wünschte sie, dass es mehr werden würde. Niall war ein netter Kerl. Seltsam, aber nett.
Kann keiner behaupten, ich hätte nicht versucht, die Situation zu retten, dachte sie, Golightly räumt sonst nie selbst auf. Und ich hab Ethan schon tausendmal gesagt, er soll sein Zeug nicht herumliegen lassen.
In der Talbot Street angekommen, war sie der Überzeugung, dass Golightly Schuld hatte. Er

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